Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Versicherungspflicht 
Binnenschiffahrts= und Baggereibetriebe, auf 
Werften und bei Bauten, im Handelsgewerbe, 
im Handwerk und in sonstigen stehenden Ge- 
werbebetrieben, also nicht im Gewerbebetrieb 
im Umherziehen (OVG. 39, 325), in dem Ge- 
schäftsbetriebe der Anwälte, Notare und Ge- 
richtsvollzieher, der Krankenkassen, Berufsge- 
nossenschaften und Versicherungsanstalten, ein- 
schließlich der privaten Versicherungsunterneh- 
mungen (RGZ. 34, 21), in Betrieben, in 
denen Dampfkessel oder durch elementare Kraft 
(Wind, Wasser, Dampf, Gas, heiße Luft usw.) 
bewegte Triebwerke zur Verwendung kommen, so- 
fern diese Verwendung nicht ausschließlich in vor- 
übergehender Benutzung einer nicht zur Betriebs- 
anlage gehörenden Kraftmaschine besteht, in dem 
gesamten Betriebe der Post= und Telegraphen- 
verwaltung, in den Betrieben der Marine= und 
Heeresverwaltungen sowie auf Seeschiffen. Aus- 
genommen sind Gehilfen und Lehrlinge in Apo- 
theken, vorübergehend beschäftigte Personen ((. 
Vorübergehende Beschäftigung), 
Personen, auf die die V. durch statutarische An- 
ordnung erstreckt werden kann, und die Be- 
satzung der Kauffahrteischiffe. Die Beschäftigung 
braucht nicht ununterbrochen fortgesetzt zu wer- 
den, es genügt, wenn das kontraktliche Arbeits- 
verhältnis bestehen bleibt, der Arbeiter muß zur 
Verfügung des Arbeitgebers bleiben. Deshalb 
besteht auch das Beschäftigungsverhältnis an 
Sonn= und Festtagen und während der Arbeits- 
unfähigkeit (OV G. 29, 341; 37, 386; 53, 381 
und O#. vom 25. April 1889 — Pr VBl. 10 
S. 400, 458). Nach G., betr. die Unfall= und 
Krankenversicherung der in land= und forstwirt- 
schaftlichen Betrieben beschäftigten Personen, 
vom 5. Mai 1886 (Rl. 132) § 142 können 
durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde 
für ihren Bezirk oder eines weiteren Kom- 
munalverbandes für seinen Bezirk oder Teile 
desselben Personen, welche innerhalb des be- 
treffenden Bezirks wohnen und, ohne zu einem 
bestimmten Arbeitgeber in einem dauernden 
Arbeitsverhältuisse zu stehen, vorwiegend in land- 
und forstwirtschaftlichen Betrieben dieses Be- 
zirks gegen Lohn beschäftigt sind, auch für die- 
jenige Zeit, in welcher eine Beschäftigung gegen 
Lohn nicht stattfindet, der V. unterworfen und, 
solange sie nicht zu einer die V. begründenden 
Beschäftigung in einem anderen Erwerbszweig 
übergehen oder Mitglieder einer Betriebs- 
krankenkasse werden, in diesem Bezirke zur Ver- 
sicherung herangezogen werden. Krankheit beim 
Eintritt in die versicherungspflichtige Beschäfti- 
gung schließt die V. nur aus, wenn sie mit völliger 
Arbeits= und Erwerbsunfäyhigkeit verbunden ist 
(O#B##. 20, 352; 27 S. 345, 348). Die Be- 
schäftigung muß erlaubt sein (vgl. O# G. 35, 
335 in Steuersachen 1, 282), tritt ein Minder- 
jähriger ohne Genehmigung seines gesetzlichen 
Vertreters (BGB. 8 107) in eine Beschäftigung, 
so beginnt, da der Arbeitsvertrag nicht nichtig 
ist, die Versicherung (O G. 35, 345). Über- 
haupt ist ein zivilrechtlich vollkommen gültiger 
Arbeite vertrag zur Begründung der Versicherung 
nicht erforderlich (OV.G. 27, 345; 30, 360). Un- 
erheblich ist, ob die Beschäftigung außerhalb der 
Betriebsstätte stattfindet (s. Heeimarbeiter) 
und ob die Beschästigung eine Haupt= oder Neben- 
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung. 2. Aufl. II. 
  
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beschäftigung ist. Das Gesinde (s. d.), welches 
nebenher im Gewerbebetriebe beschäftigt wird, 
ist versicherungspflichtig, sofern diese Tätigkeit, 
von einem Dritten geleistet, die Versicherung be- 
gründen würde. Die Tätigkeit darf daher ins- 
besondere nicht geringfügig sein (O G. vom 
25. April 1889 — Pr VBl. 10, 635; vom 5. Dez. 
1895 — Pr Bl. 17, 359; vom 20. Okt. 1897 — 
Pr BBl. 19, 155; vom 25. Febr. 1899 — Pr VBl. 
20, 426; vom 5. Febr. 1898 — Pr VBl. 19, 370). 
Auch die Form der Lohnzahlung ist gleichgültig. 
Als Gehalt oder Lohn gelten auch Tantiemen 
und Naturalbezüge; für die letzteren wird der 
Durchschnittswert nach Maßgabe des Erl. vom 
1. Juni 1892 von den unteren Verwaltungs- 
behörden (s. d.) festgesetzt. Wegen der Versiche- 
rung der Lehrlinge und Kinder s. d. Auf das 
Lebensalter, das Geschlecht und die Staats- 
angehörigkeit kommt es nicht an. 
2. Ausgedehnte V. Durch statutarische 
Bestimmung einer Gemeinde für ihren Bezirk 
oder eines weiteren Kommunalverbandes für 
seinen Bezirk oder Teile desselben kann nach 
KVG. § 2 die V. erstreckt werden a) auf vor- 
übergehend beschäftigte Personen (s. Vor- 
übergehende Beschäftigung), b) auf 
die in Kommunalbetrieben und im Kommunal= 
dienste beschäftigten, der V. nicht anderweit 
unterworfenen Personen, soweit sie nicht Be- 
amte sind (KVG. § 2b), c) auf diejenigen Fa- 
milienangehörigen eines Betriebsunternehmers, 
deren Beschäftigung in dem Betriebe nicht auf 
Grund eines Arbeitsvertrages stattfindet, d) auf 
Hausgewerbetreibende, und zwar auch für den 
Fall, daß sie die Roh= und Hilfsstoffe selbst 
beschaffen und auch für die Zeit, während 
welcher sie vorübergehend für eigene Rechnung 
arbeiten, e) auf die in der Land- und Forstwirt- 
schaft beschäftigten Arbeiter und Betriebs- 
beamten mit Ausschluß der Dienstboten (O# G. 
16, 364). Die Beschlüsse bedürfen der Ge- 
nehmigung des BezA., und wenn die Beschlüsse 
von einem Provinzialverband, einem Bezirks- 
verband in der Prov. Hessen-Nassau oder der 
Stadt Berlin gefaßt sind, des Oberpräsidenten 
(AusfAnw. z. KVG. vom 10. Juli 1892 — 
Ml. 301 — Ziff. 2). Die statutarische Ausdeh- 
nung des Versicherungszwanges braucht sich 
zwar nicht auf alle im § 2 bezeichneten Personen 
zu erstrecken, jedoch darf eine Beschränkung nicht 
dadurch geschehen, daß eine Voraussetzung für 
die V. aufgestellt wird, welche, wie die freiwillige 
Mitgliedschaft bei einer anderen Kasse, auf einem 
ganz verschiedenen Gebiet als dem der für die V. 
maßgebenden Art der Beschäftigung liegt, im 
freien Willen des Beteiligten steht und einer 
Person, die an sich zu der allgemein für ver- 
sicherungspflichtig erklärten Klasse gehört, er- 
möglicht, sich dem Versicherungszwange zu ent- 
ziehen (O#G. 39, 328). Überhaupt sind Ab- 
weichungen von den Grundsätzen des § 1 bei 
Erstreckung der V. unzulässig (AusfAnw. z. K V. 
vom 10. Juli 1892 — Mhl. 301 — Ziff. 8—10). 
Auf Hausgewerbetreibende kann die V. durch 
Beschluß des BMR. erstreckt werden (KVG. 8§ 2 
Abs. 4), dies ist bisher aber nicht geschehen. End- 
lich kann nach KVG. § 2 a der RK. für die in 
Betrieben oder im Dienste des Reiches und die 
Landeszentralbehörde für die in Betrieben oder 
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