110 I. 7. Ende und Ergebnisse des Kutturkampfes (1875).
Staatsregierung hält es für ihre Pflicht, so schnell und durchgreifend als möglich zu
verhindern, daß dieses zahlreiche, der Lenkung der Kurie und des Episkopats willen-
los preisgegebene Personal zu einer staatsfeindlichen Einwirkung auf die ihm weit
und breit zugängliche Masse der katholischen Bevölkerung benutzt wird.“ Es wird
daher durch den Gesetzentwurf die Anshebung aller katholischen Orden und Kongrega-
tionen verfügt und ihre Auflösung binnen sechs Monaten angeordnet. Diese Frist wird
verlängert bei denjenigen Orden, die sich mit Unterricht beschäftigen, weil sonst ein
sühlbarer Mangel an Lehrern und Lehrerinnen eintreten würde. Katholische Nieder-
lassungen dieser Art bedürfen einer Ermächtigung der Staatsregierung, wenn sie
Unterricht und Erziehung der Jugend fortsetzen und die Frist zur Auflösung bis auf
vier Jahre verlängert fehen wollen. Einzelnen Mitgliedern von Orden und Kon-
gregationen kann auch nach Ablauf dieser vier Jahre noch die Befugnis vom Staate
gewährt werden, Unterricht zu erteilen. Eine abweichende Behandlung wurde den
Orden und Kongregationen zu teil, welche sich ausschließlich der Krankenpflege wid-
meten. Durch geeignete Kontrollmaßregeln und nötigen Falls durch Aufhebung auch
solcher Orden wurde dafür geforgt, einer etwa von ihnen ausgehenden, den Staats-
interessen nachteiligen Thätigkeit Grenzen zu setzen. Das Vermögen aller ausgelösten
Genossenschaften sollte (unter der Verwaltung des Staates) zunächst zum Unterhalte
ihrer derzeitigen Mitglieder, ein etwaiger Uberschuß thunlichst im Sinne der Stifter
verwendet werden.
Das Abgeordnetenhaus beriet diesen Entwurf in den Tagen vom 3. bis 10. Mai.
Minister Falk erinnerte dabei an eine Kußerung, welche zu Anfang 1851 der Führer
der badischen Ultramontanen, Buß, gethan hatte: „Mit dem Manerbrecher der Kirche
werde man den Protestantismus langsam zerbröckeln, in den vorgeschobensten nord-
deutschen Gebieten die zerstreuten Katholiken sammeln und mit Geldmitteln unter-
stützen, den altprotestantischen Herd in Preußen aber von Ost und West her mit einem
Netze katholischer Vereine umklammern, diese Klammern durch unzählige Klöster be-
festigen und dadurch den Protestantismus erdrücken und die Hohenzollern unschädlich
machen.“ Die Motive hatten schon nachgewiesen, in welchem Maße dieses ultramon-
tane Programm seit 22 Jahren verwirklicht worden war. Die Zahlen wurden oben
mitgeteilt. In der That war es hohe Zeit, daß in Preußen sich Volk und Staat dem
sie umstrickenden ultramontanen Ordensnetze wieder entwanden. Abgeordnetenhaus und
Herrenhaus zögerten denn auch nicht, mit großen Mehrheiten dem Gesetze zuzustimmen.
Am 22. Mai betonte Falk bei der Beratung im Herrenhause, wie wünschenswert der
Regierung der mit dieser Vorlage erzielte Abschluß der kirchlichen Gesetzggebung und
die dadurch begründete Hoffnung sei, nun zum kirchlichen Frieden zu gelangen. Auch
er schloß sich dem sinnverwandten früheren Worte Bismarcks im Abgeordnetenhause
an, indem er versicherte: „Alles das ist nicht geschehen um seinerselbst willen, der
Kampf nicht geführt um des Kampfes willen, sondern allein mit dem Ziele zum
Frieden ... JNach Abschluß dieser Session ist die Staatsregierung in der Lage, sich
sagen zu können: du brauchst nicht immersort mit neuen Gesetzen zu kommen.“ Am
1. Mai erlangte das von beiden Häusern beschlossene Gesetz die königliche Unterschrift.