124 I, 8. Der innere Ausbau des Reiches. Die Befestigung der deutschen Behrkraft.
zum „Chef der Admiralität“ ernannt und übernahm damit die Leitung des Flotten-
departements. Er wurde dem Neichskanzler direkt unterstellt.
Die vielen Millionen aus der französischen Kriegsentschädigung boten reiche
Mittel, um alle außerordentlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Selbstverständlich
wurde aus diesen 5 Milliarden Frank zunächst alles ersetzt, was der Krieg bei Heer und
Flotte, im Festungs= und Eisenbahnwesen 2c. zerstört oder entwertet hatte. Die Ge-
fallenen, die in französischer Erde schlummerten, hatten Angehörige hinterlassen, wel-
chen das dankbare Vaterland die Ernährer wenigstens durch Gewährung des Unter-
haltes ersetzen mußte. Die Helden, welche im Kriege Gesundheit und Arbeitsfähigkeit
eingebüßt hatten, mußten Pensionen oder Beihilfen zur Begründung eines nährenden
Gewerbes erhalten. Die Reservisten und Landwehrmänner hatten rechtsgültigen An-
spruch auf Entschädigung für die Opfer, welche sie durch den Kriegsdienst vor dem
Feind sich selbst und ihren Angehörigen in ihrem materiellen Gedeihen auferlegt
hatten. Reeder, Ladungseigentümer und Mannschaften deutscher Handelsschiffe hatten
während des Krieges bedeutende Verluste erlitten dadurch, daß ihre Schiffe von feind-
lichen Kreuzern ausgebracht oder in auswärtigen Häsen zurückgehalten wurden. Diese
Verluste waren bei der großen Rechnung mit berücksichtigt, welche den Franzosen im
Januar 1871 in Versailles zur Bezahlung vorgelegt worden war. Nicht minder der
Ersatz für die sonstigen Kriegsschäden und Kriegsleistungen, welche fast 37 Millionen
Thaler erforderten. Zwei Millionen Thaler hatten, wie schon früher erwähnt ward,
die aus Paris ausgewiesenen Deutschen aus der Kriegsentschädigung erhalten. Vier
Millionen waren zu Ehrengeschenken an besonders verdiente Heerführer und Staats-
männer bestimmt worden, 40 Millionen im Reichskriegsschatz in Spandau festgelegt.
Demselben Zwecke wie der Reichskriegsschatz, der Bereitstellung aller Mittel des
Reiches für den erneuten Kriegsfall, diente der Ankauf der Eisenbahnen in Elsaß-
Lothringen. Dafür mußten an die französische Ostbahngesellschaft 86 ½ Millionen
Thaler als Kauspreis bezahlt werden. Weitere 11,440,000 Thaler waren aber er-
forderlich, um diese Bahnen auszurüsten und in stand zu setzen. Wie alle bisher aus-
gezählten Ausgaben aus der französischen Kriegsentschädigung bestritten wurden, wies
die Reichsregierung auf diese Einnahmen auch alle Ansgaben an, welche zur Wieder-
herstellung, Verbessenung und Ausrüstung der Festungen Elsaß-Lothringens (Straß-
burg, Metz;, Diedenhofen, Neu-Breisach) und zur Erbaunng und Einrichtung aller
in den Reichslanden notwendigen Kasernen, Lazarette, Magazine 2c. verwendet wurden.
Hierbei war während der Ubergangszeit (d. h. bis die Reichslande sich dem neuen
Vaterlande auch innerlich angegliedert haben würden) eine wesentlich stärkere Truppen-
belegung für Elsaß-Lothringen, als die heimische Friedenspräfenzstärke betrug, in
Aussicht genommen.
Das Militärbudget, welches der Reichstag am 13. Juni 1872 beriet, hatte
außerdem sehr bedentende Summen auf die Mittel der französischen Kriegsentschädi-
gung angewiesen zum Zwecke der Erwerbung eines Artillerie-Schießplatzes bei Berlin,
um die Wirkung der neuen weittragenden Geschosse zu prüfen, ferner zum Zwecke der
Erweiterung oder des Neubaues aller der Militärgebäude, welche schon für den preußi-