126 I, 8. Der innere Ausbau des Reiches. Die Befestigung der deutschen Wehrkraft.
gesetzbuch zu rechnen, welches dem Reichstag im Frühjahr 1872 unterbreitet wurde.
Unter dem Vorsitz des ehrwürdigen Moltke und unter der sachverständigen Mitwirkung
hoher Generalstabsofsiziere gestaltete die Neichstagskommission den Entwurf der Re-
gierung wesentlich um. Diese Arbeit fußte einerseits auf den wissenschaftlichen Grund-
lagen des deutschen Reichsstrafgesetzbuchs, anderseits auf dem Grundsatze, daß zu
weit getriebene Menschlichkeit die notwendige eiserne Mannszucht im Heer zu erschüttern
drohe. Deshalb ließ auch die Reichstagskommission am 30. April, auf Vorstellung
der Regierungen, das Strafmittel des „strengen Arrestes“ bestehen. Im Reichstag
stellte die Opposition diese Strafe auf eine Linie mit der Folter. Auch Laskers weichem
Gemüt erschien sie zu hart. Er hatte schon in der Kommission an Stelle der Straf-
verschärsung „Wasser und Brot“ vergeblich eine „knappe, nahrungsfähige Kost“
setzen wollen. Feldmarschall Moltke aber sprach am 7. Juni im Reichstag überzeu-
gende Worte für die Vorlage:
Bei militärischen Strafen dürfe man sich nicht ausschließlich auf den bürgerlich-zuristischen
Standpunkt siellen, sagte er. Autorität von oben und Gehorsam von unten sei die Seele der
Armee, eine Armee ohne Disziplin im Kriege untauglich, im Frieden gefährlich. Kurze und
stenge Strafen lägen im militärischen Interesse. Mit leichten Strafen komme man nicht durch:
denn die Strafen seien nicht für den ordentlichen, properen Soldaten, sondern für den schlechten.
Auch Noon sprach sich in demselben Sinne aus. Den wichtigen nationalen Fort-
schritt dieses Gesetzes durfte der Reichstag an der untergcordneten Frage der Strafart
des mittleren und strengen Arrestes nicht scheitern lassen. Doch nahm er dabei die
Resolution an: „Der Reichskanzler wolle veranlassen, daß eine sachverständige und
umssende Untersuchung darüber angestellt werde, welche Einwirkung auf die Gesund-
heit die Vollstreckung des mittleren und strengen Arrestes ausübe, ob und inwieweit
nachteilige Einwirkungen wahrzunehmen seien, die mit der besonderen Art der Er-
nährung und des Aufenthaltes zusammenhängen, und das Ergebnis dieser Unter-
suchung zur Kenntnis des Neichstags bringen.“
Im Jahre 1873 legte die Regierung dem Reichstag einen Gesetzentwurf betresss
der Verwaltung des Reichsinvalidenfonds vor, dessen Gründung schon 1871 be-
schlossen worden war. Der Entwurf wies zur Unterstützung der Invaliden des Hecres
und der Flotte und zur Versorgung der Hinterbliebenen solcher Invaliden 187 Millio-
nen Thaler an. Diese Summe sollte in verzinslichen Schuldverschreibungen angelegt
werden, und zwar in solchen des Reiches, der Einzelstaaten, deutscher kommunaler
Körperschaften (Provinzen, Kreise, Gemeinden), auch in solchen dentscher Eisenbahn-
gesellschaften, landschaftlicher oder kommunaler Kreditbanken. Die Verwaltung dieses
Fonds sollte unter der Oberaussicht des Reichskanzlers von einer besonderen Behörde
geleitet werden, deren Vorsitzenden der Kaiser, deren beide anderen Mitglieder der Bun-
desrat je auf ein Jahr zu ernennen hatte. Der Bericht über die Verwaltung des Fonds
sollte dem Neichstag allzährlich zugleich mit dem Reichshaushalt vorgelegt werden.
Nicht minder sollte durch Reichsgesetz später Verfügung getrossen werden über die Ver-
wendung aller Bestände, welche durch Heimfall der auf den Fonds angewiesenen Pen-
sionen verfügbar werden würden. Der Neichstag trat am 27. März 1873 in die erste