Reichssteuerreforniwersuche. Nachteile der Matrilularbeitrãge. Brausteuer. 171
10. März 1877 bei Beratung des Reichshaushaltes Eugen Richter gegenüber mit
den Worten zurück:
„Ich lann mit bestem Gewissen erklären, daß ich leinen Uberschuß erstrebe, sondern nur die
Deckung dessen, was uns sehlt, die Verringerung der Matrikularumlagen, wenn es sein kann,
gänzliche Abschaffung derselben; denn ich glaube nicht, daß Sie bloß um der parlamentari-
schen Machlfrage willen unbequeme Stenern behalten wollen. Die parlamentarische Macht
bleibt einer verfassungsmäßigen Regierung gegenüber durch das Ausgabenbewilligungsrecht ge-
sichert, und einer der Verfassung nicht treuen Regierung gegenüber sind ebensowenig Bürg-
schaften zu finden wie einem Parlament gegenüber, das in seinen Beschlüssen sich an den Fork-
bestand des Reichs oder Staates nicht weiter kehren wollte.“
Die Höhe der Matrikularbeiträge sowohl als der außerordentlich schwankende
Abstand ihrer obersten und untersten Grenzen drängten aber gebieterisch dazu, auf
Ersatzmittel zu siunen. Die Höhe dieser Umlagen betrug schon 1871 und 1872 etwa
31 Prozent der Bedürfnisse des Reichshaushaltes. Besonders bezeichnend für die
kolossalen Schwankungen ihres Bedarfes sind die folgenden Jahre. 1873 betragen
sie fast 104 Millionen Mark, 1874 sinken sie auf 67 Millionen, 1875 betragen sie
69, 1876: 72, 1877 nur 18, 1878 dagegen wieder 81 und 1879 gar 87 Millionen.
Für den Reichshaushalt von 1876 blieb, obwohl die Reichstagskommission 5 Millio-
nen für die Flotte, 51 neue Ofsiziersstellen, kostspielige Kasernenbauten rc. abgestrichen
hatte, nach dem Voranschlag immer noch ein Fehlbetrag von 2 Millionen übrig. Statt
des erwarteten Defizits ergab jedoch das Jahr 1875 Uberschüsse im Betrage von über
16 Millionen, das Jahr 1876 über 8 Millionen. Für diejenigen Bundesstaaten, deren
Landesverfassungen mehrjährige Budgetperioden vorschrieben, waren diese Schwan-
kungen der Neichsumlagen geradezu unerträglich. Im Laufe der Jahre 1872—77
sind zahlreiche direkte und indirekte Stenern zum Ersatze der Matrikularumlagen vom
Reichstag oder Bundesrat in Vorschlag gebracht worden. Als direkte Neichssteuern
eine Börsen-, Gewerbe-, Stempelsteuer, eine progressive Einkommensteuer, sogar eine
Erbschaftsstener. Aber sie alle scheiterten an dem Widerstande der Einzelstaaten, welche
ihre Landeseinnahmen dadurch mindestens um denselben Betrag verkürzt zu sehen fürch-
teten, der ihnen an Reichsumlagen nachgelassen worden wäre. Ebenso erfolglos waren
die Vorschläge auf dem Gebiete der Verbrauchssteuern. Tabak, Rübenzucker, Brannt-
wein, Petroleum wurden nacheinander als Ersatz für die Matriknlarbeiträge ins Auge
gefaßt, jedoch ohne praktisches Ergebnis. Nur das liebe Vier mußte im Reichsinteresse
eine Kleinigkeit „bluten“. Das Brausteuergesetz von 1872 erhöhte die Brauabgabe
etwas, traf aber namentlich die Malzsurrogate wesentlich stärker, um die Verwendung
der letzteren thumlichst zu hindern und dadurch der bayrischen Gesetzgebung näher zu
kommen, welche nur Wasser, Malz und Hopfen zur Bierbereitung gestattet.
Natürlich kounten unter solchen Umständen die Bestrebungen des Reichstags zur
Beseitigung der Salzsteuer, die auch im Bundesrat geteilt und besürwortet wurden,
zu keinem Erfolge führen. Fürst Bismarck erklärte sogar am 1. Mai 1872 im Reichs-
tag: „Solange wir noch Brot und Fleisch besteuern, haben wir kein Recht, die Salz-
steuer auf diese Weise zu brandmarken, solange rechne ich dergleichen Kußerungen in