Full text: Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks.

224 I, 13. Fürst Bismarck und die Parteien. „Friktionen.“ (1871—78.) 
und deutschen Neichstag von 1867 an, zumal da Blanckenburg zugleich ein Duzfreund 
des Fürsten Bismarck ist. Dazu kommen zahlreiche Briefe, welche zwischen Roon, 
anderen konservativen Führern und mit Bismarck selbst gewechselt werden. Nament- 
lich aber ist von Wert der vertrauliche Briefwechsel Kaiser Wilhelms mit Noon. Wir 
blicken da dem Kaiser tief ins Herz, da Roon den Anschauungen und Gefühlen seines 
hohen Herrn unter allen Ministern wohl am nächsten stand. Noon selbst kann, gegen- 
über allen politischen, nationalen und kirchlichen Bewegungen der Neuzeit, als Typus 
des altpreußischen Konservativen gelten. 
Wir gewinnen aus diesen ganz vertraulichen wechselseitigen Aussprachen der kon- 
servativen Führer mit dem konservativen Minister des „Minisierimms Bismarck“ die 
liberzeugung, daß die Spannung zwischen der konservativen Partei und Bismarck 
bereits 1866 begann, als Bismarck sich auschickte (um ein vormärzliches Wort zu ge- 
brauchen), „Preußen in Deutschland aufgehen zu lassen“ und die „preußische Kon- 
fliktszeit“, die jahrelange verfassungswidrige budgetlose Zeit, abzuschließen mit dem 
hochherzigen Gesuche um nachträgliche Indemnitätserteilung bei den preußischen Kam- 
mern. Das waren „Würmer, die nicht sterben können“, wie Bismarck später einmal 
sagte, und die am Herzen der altkonservativen preußischen Partei unablässig fort- 
nagten. Der alten Wunde unnennbar schmerzliches Gefühl brach noch in späteren 
Tagen plötzlich immer wieder auf, auch bei Roon. So schreibt er noch am 21. Mai 
1874, nachdem er elf Jahre mit Bismarck Schulter an Schulter gekämpft und nach- 
dem er schon lange aus dem Amte geschieden war, aus Lugano an Moritz v. Blancken- 
burg (Bd. II, S. 638): 
„Die Ersolge von 1866 oder vielmehr die an diese Erfolge geknüpflen Illusionen von all- 
gemeiner Versöhnung der potitischen Gegensähc haben uns das erste Bein gestell!, so daß unsere 
Politik ins bedenklichste Stolpern und Schwanken geralen, woraus uns zu erretten der Helden- 
sprung von 1870/71 nicht gedient hal; dic damit verknüpfie Berauschung verhinderte die Rückkehr 
zu gesunder Nüchternheit, und so kammeln wir denn an Abgründen hin weiter.“ Und schon 
sfrüher, nachdem Roon sein letztes und ernstestes Abschiedsgesuch eingereicht hatle, schrieb er am 
B. Oktober 1873 an Blanckeuburg (Vd. II, S.599): „Durch Bismarcks Verdentschung à lout prixz 
ist mir mein prenßisches Programm unbrauchbar geworden; mit ihm gegen den liberaten Strom 
wärec allenfalls noch eine Weile gegangen; gegen beide, das geht über meine Kräfte. Es schneider 
mir ins Herz, daß ich nicht mehr steuern und wehren klann, aber der Wille allein thul's nicht.“ 
Das „Aufgehen Preußens in Deutschland“, d. h. die in den Vordergrund tretende 
nationale Politik Bismarcks, fand also bei den Altkonservativen Preußens wenig Ver- 
ständnis und Neigung, selbst nicht bei Noon, einem ihrer verständigsten und deutschesien 
Mänuer; diese Politik „machte das preußische Programm unbrauchbar“, und die von 
Bismarck zu Ende 1866 durchgeführte großartige Versöhnungspolitik, „die Ver- 
söhnung aller politischen Gegensätze“, erzeugte in diesen urkonservativen Kreisen nur 
die Vorstellung, daß der Partei hier „das erste Bein gestellt wurde“. Die noch 
großartigere Politik Bismarcks von 1867—174 neunt der Leiter des preußischen 
Kriegsministeriums das „bedenklichste Stolpern und Schwanken, ein Weitertaumeln 
an Abgründen hin“. Wie mußten da erst die kleineren Geister der Partei grollen 
und verurteilen. Kein Wunder also, daß die Partei im Neichstag und Landtag von
	        
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