Full text: Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks.

Die Nalionaltiberalen. Bismarck und die Konservaliven. 225 
1867 an in den Hintergrund tritt, daß die aus der „Versöhnung aller politischen 
Gegensätze“ hervorgewachsene nationalliberale Partei im Vordergrund des politischen 
und parlamentarischen Lebens die Hauptrolle spielt. Und dazu kommt nun ein weiterer 
unsterblicher Verdruß für die Altkonservativen: Graf und Fürst Bismarck segelt 
mit dem liberalen Strom, und die konservative Partei muß mitsegeln, da die 
„liberalen“ Gesetze, welche in den Jahren von 1867—74 aufräumen mit dem 
Jammer der Zerrissenheit und mit der unerträglichen Polizeigesetzgebung aus den 
Bundestagszeiten, im Namen des Königs und Kaisers an den Neichstag gebracht, von 
Bismarck gefordert und befürwortet worden, und da die Konservativen ihrem Mon- 
archen doch nicht den Gehorsam aufsagen können. Der Briefwechsel zwischen Noon, 
v. Blanckenburg Und v. Berg aus den Jahren 1867—70 (II, S. 364—424) be- 
weist aber aufs klarste, daß diese Gesolgschaft seitens der Konservativen nur höchst 
widerwillig geleistet wurde, und daß sich „das Zerwürfnis zwischen Bismarck und 
seinen (konservativen) Anhängern“ schon Mitte Februar 1868 bei den Beratungen 
über den hannöverschen Provinzialsonds im Abgeordnetenhanse beinahe zu völligem 
Bruche steigerte. Die konservativen Briesschreiber berichten an Noon damals über- 
einstimmend: 
Bismarck behandle die Konservativen nicht halb so gut wie die Nationalliberalen, son- 
dern mil unbegreiflicher Schrossheit. Er drohte ihnen sortwährend össentlich und durch Zwischen- 
träger mit seiner Ungnade, brüslierte sic, indem er sagte, sie mlißten mit ihm stimmen, in allen 
Fragen unbedingt, dazu wären sie gewählt, er würde sich sonst auf die Liberalen stützen, würde 
eine liberale Kreisordnung einbringen u. s. w., so daß er die armen Leute, welche gar nicht 
mehr aus und ein wüßten, denen es an Führung, aber nicht au Zuflüsterungen aller Art 
fehlte, förmlich zur Opposi#ion zwang. (II, 369.) M. von Blanckendurg schreibt in denselben 
Tagen an Roon: „Obtos (d. h. Bismarcks) Herrschsucht soll seit Deinem Abgang unerträglich ge- 
worden sein, gar keinen Widerspruch duldend. Eine Menge Landräle lassen sich noch jetzt nicht 
ausreden, daß der große Sarastro“ diese liberale Flöte nur wegen des Zollparlamentes spiele 
und heimlich sich freue, daß die konservalive Opposition ihm seine Stellung Demisschland gegen- 
über erleichtere.“ Der Abgeordnele von Berg-Perscheln aber, welcher in dieser Streitfrage 
auf Bismarcks Seite gestanden hatle, schrieb in denselben Tagen gleichfalls an Roon, zwar auch 
voller Groll darüber, daß Bismarck den „Junlern“ „nicht ein freundlich Wort gegönnt habe“, 
fügt jedoch hinzu: „Die klonservative Partei ader liegt nach meiner Empfindung auf dem Rücken, 
mil den Beinen nach oben; in ihrer Mehrzahl ohne zu wissen, was sie will, und ohne zu können, 
was sie soll.“ (II, 375.) 
Bei diesem ernsten ersten Zwiespalt zwischen Bismarck und den „Junkern“ blitzt 
in Roon plötzlich die volle klare Erkenntnis der Gründe dieses Zwiespaltes auf und 
der Mittel zur künstigen Versöhnung, ja zur unlöslichen Verbindung der Konserva- 
tiven mit Bismarck. Deun er antwortet v. Berg am 25. Febrnar 1868 aus Bordighera: 
„Ubrigens wird der Vruch heilen, denn er muß heilen. Wir (die Minister) uönnen uns auf 
keine andere Partei in der Houptsache stützen. Aber die Partei muß endlich begrrisen (als ob 
Noon selbst das bis dahin und späler jemats wieder begrifsen hätlel), daß ihre hemigen Auffas- 
sungen und Aufgaben wesentlich andere sein müssen als zur Zeit des Konstilts. Sie uuß eine 
Parlei des konservaliven Fortschrins sein und werden und die Rolle des Hemmschuhs aufgeben, 
so wesentlich und nolwendig solche zur Zeit der ÜUbermacht des demtokralischen Fortschrins und 
Ulum, Tas Teuische Neich zur Zeit Bismarcks. 15
	        
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