Full text: Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks.

Die Franckensleinsche Klansel. Rücktritt der teberalen Minister. Nede Bennigsens. 330 
Bennigsen gab dem tiefen Eindruck dieser Rücktritte zu Beginn seiner Rede Ausdruck, 
als er sich am 9. Juli erhob, um im Namen der gesamten nationalliberalen Partei, 
ohne Ausnahme, die Ablehnung der Franckensleinschen Klausel zu fordern. Klar und 
überzeugend entwickelte er die Gründe, welche seiner Partei die Annahme dieses An- 
trages unmöglich machten (Stenographischer Bericht 1879, 3. Band, S. 2178—2180). 
„Ich bin kein Freund von Übertreibungen und von großen Worten“, fagte er. „Aber so- 
viel darf ich doch behaupten, daß, wenn dieser Paragraph angenommen wird, das Verhältnis 
der Reichsgewalt zu den einzelnen Staaten veränderl, dast die Stellung des Reichslags zu den 
Vertretungen in den einzelnen Ländern verschoben wird, und daß insofern eine Beschädigung 
der Reichsverfassung durch Annahme dieses Anteags einkritt, als die bei Begründung des 
Reiches ohnehin nur sehr vorsichtig und eben ausreichend ausgestaltete Reichsgewalt auf dem 
sinanziellen Gebiet eine Einschränkung oder Verlümmernng ihrer Rechte erfährt.“ Daß dies 
eine Versassungsänderung sei, geben auch die Gegner zu, und Bennigsen begründet es eingehend. 
Wenn aber die Gegner diese Verfassungsänderung als ganz harmlos und „nur als eine andere 
Art der Verrechnung“ hinzustellen liebten, dann wäre das, rief Bennigsen unter lautem Bei- 
fall, „wirtlich mehr die Auffassung eines Kalkulalors als eines Politilers“. Vielmehr sei 
diese Anderung von erheblicher politischer Bedeutung, wie bis vor kurzem alle Parteien, nament 
tich auch der Reichskanzler felbst zugegeben hätten. Noch am 21. Februar und 2. Mai 1879 
habe Fürst Bismarck erklärt: „Das erste Bedücefnis, welches mich nötigte. für die Finanzreform 
einzulrelen, ist das Bedürfnis der finanziellen Selbständigleit des Reichs.“ Ferner sagte Bis 
marck: „Die Reichsverfassung setzt voraus, daß der Zustand der Matrikularbeiträge ein vorüber- 
gehender sein werde, welcher (nur) so lange dauern solle, bis Reichssteuern eingeführt würden. 
Diesem Zustande muß, glaube ich, ein Ende gemacht werden, denn die Matrikularumlage wirkt 
ungleich. Die Konjolidalion des Reichs, der wir ja alle zustreben, wird gefördert, wenn die Ma- 
trikularbeiträge durch Reichssteuern ersetzt werden.“ Und nun geschiehl von alledem das Gegen- 
leil. Die Malrikularbeiträge werden nicht abgeschafft in dem Augenblick, wo man so viel Geld 
nen bewilligt, vielmehr sollen wir gerade jetzt, wo wir die Mittel bewilligen, welche ermöglichen 
würden, die Makrikularbeiträge für jetzt und wahrscheinlich für lange Zeit thatsächlich vollkom 
men zu beseitigen, mit dem Antrag Franckenstein einen Beschluß fassen, welcher die Matrilu- 
larbeiträge flr alle Zukunft danernd feststellt. Es müßten denn (woher? weiß man noch 
nicht) auf anderem Wege uns Einnahmen zufließen durch neue Steuern; vermutlich würde 
aber sich dann ebenso ein Abgeocdneter zu Franckenstein finden, der dann in gleich söderativer 
Weise über die neuen Steuern verfügt. Bennigsen wirft nun die Frage auf: „Was ist denn eigent- 
lich vorgekommen und wie ist es möglich (namentlich gegenüber dem so entschiedenen Auftreten 
des Reichskanzlers noch im Mai d. J.), das hier eine solche Bestimmung von den konservativen 
Parteien, von dem Reichskanzler selbst und von den verbündelen Regierungen zugestanden werden 
soll, welche das Gegenleil von demjenigen enthält, was man bislang anstrebte?“ Vennigsen ant 
wortet auf die Frage einfach: weil man mit dem Zeutrum und den Kouservativen die Mehrheit 
für die Finanzzölle sicher zu erlangen glaubte und weil das Zentrum diese „Klausel“ für seine 
Zustimmung forderte. Bennigsen fragt weiter: wieviel gewinnt das Reich durch diese unerhörte 
Konzession an den Föderalismus 7 Nicht mehr als dreinig Millionen, die sich der Bundesrat reich- 
lich hat aus der Hand schlüpfen lassen dadurch, daß „er ums nicht am ersten Tage, wo wir zusam- 
mentralen, ein Sperrgesetz auf Tabak und die wichtigsten Finanzartikel vorgelegt hat“. Daß die 
Sache nicht blost eine rechnerische, sondern eine wesentlich politische Seite habe, ergebe sich aus 
„dem Verhalten des Zeutrums in der Kommission. in ihrer Presse und sonstigen Erklärungen. Um 
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