342 Il, 2. Bismarcks Wirtschastspolilil im Reichstag 1879. Polilische Folgen.
Daß diese wahren Freunde des Reiches niemals eine dauernde Stütze der
Neichspolitik werden konnten und wollten, das war schon nach diesem ossenen Bekennt-
nis ihres Führers nicht zweiselhast. Lasler aber untersuchte in seiner Entgegnung
auch ihre gerühmte Uneigennützigkeit:
„Zu welcher Sorte von Freunden gehören uun die von dem Herrn Abgeordneten Windthorst
geführten Helser? Zu denen, die uneigennützig helsen, oder die einen Bechscl sich ausstellen
tassen, wie ein Mann in der Nok ihn ebenfalls ausstellt. Wenn der Herr Abgcordnete Windt-
horst noch hinzugefügt hat, er vertraue zu der Loyalilät der Rechten und der Regierungen, daß
sic den § 7 (Antrag Franckenstein) niemals ausheben werden, so hat er sich zu dem Wechsel
auch noch den Ehrenschein ausstellen lassen, was belannttich nach den Gesetzen unseres Landes
noch viel strafbarer ist.“
Der Reichstag aber nahm am 9. Juli diesen „Wechsel“ an; 211 gegen 122 Stim-
men erklärten sich für die Franckensteinsche Klausel. Die Nationalliberalen stimmten
ohne Ausnahme dagegen. In diesem bedeutsamen und entscheidenden Angenblicke
war das eine wertvolle Kundgebung ihrer Einheit, namentlich da Bismarck vorher
spöttisch bemerkt hatte, daß „diese Einigkeit zu den Seltenheiten“ gehöre. Um so
peinlicher wirlte, daß am folgenden Tage der nakionalliberale Abgeordnete Völk sich
gedrungen fühlte, vor versammeltem Reichstage den inneren Zwiespalt der Partei
kundzuthun, indem er, unter dem Jubel des Zeuntrums und der Kouservativen, die
Rede Bennmigsens in heraussordernd-höhnischem Tone belämpste und zu beweisen
suchle, daß der Antrag Franckenstein, gegen welchen Völk tags zuvor doch selbst ge-
stimmt hatte, eigentlich ganz unverfänglich sei.
Die Rede erzeugte allgemeine Erbitterung bei den Parteigenossen des Redners.
Die am folgenden Morgen über die Angelegenheit abgehaltene Fraktionssitzung ver-
lief äußerst stürmisch und gereizt. Viele verlangten eine ausdrückliche Eutschuldigung
Völks. Bennigsen widerriek einen solchen Beschluß, der Völk nur einen berechtigten
Vorwand zum Auskritt geben mußte. Die Verhandlung wurde abgebrochen, um die
Erklärung des abwesenden Völk abzuwarten. Natürlich war es hauntsächlich der „linke
Flügel“ der Partei, welcher die schärfsten Maßregeln gegen Völk verlangte. Forcken-
beck versammelte seine Getreuen am 11. Juli noch nach der Abendsitzung des Reichs-
tags bis nach Milternacht. Und die Herren, welche durch ihr Verhalten innerhalb
und anßerhalb des Reichstags so ost schon weit größeres Argernis gegeben als Bölk,
trennten sich mit dem einstimmigen Beschlusse: „aus der Fraltion auszutreten, wenn
eine angemessene Genugthunng für Völks Austreten versagt werde“. Damit war der
Austritt der Herren um Forckenbeck, oder Völks und seiner Anhänger sichergestellt.
Die Morgensitzung der Fraktion am 12. Juli begann natürlich nach diesem nächtlichen
Vorgang noch stürmischer als diejeuige am Tage zuvor. Völk hatte brieflich jede
Genugthmmng verweigert. Infolgedessen wurde beantragt: das „Bedauern der Frak-
tion“ über Völks Anstreten anszusprechen. Dieser Antrag wurde mit 45 gegen
35 Stimmen angenommen. Darauf erklärten sosort 15 Mitglieder, die sogenannte
Gruppe Völk-Schauß-Hölder, ihren Austritt aus der Fraktion. Sie stimmten
am nämlichen Tage (bei der Schlußabstimmung über das Tarifgesetz) sämtlich für