Die Reichsstempelsteuer. Konflikt mit dem Bundesrat. Die Börsensleuer. 349
zurückzunehmen und die Stempelsteuerpflicht aller Quittungen, Postanweisungs= und
Postvorschußquittungen zu beschließen. Aber Bismarck erachtete sich mit dieser Genng-
thuung noch nicht zufrieden gestellt. In einer eingehenden Denkschrist an den Bundes-
rat verlangte er eine wesentliche Anderung der Geschäftsordnung dieser Körperschaft,
um derartige Konflikte in Zukunft unmöglich zu machen: nämlich die Zweiteilung aller
Beratungsgegenstände in wichtige und laufende. Zu den ersteren sollten alle Präsidial-
vorlagen gehören und bei deren Beratung die Anwesenheit der Minister erfordert
werden. Ferner sollte die Stellvertretung der Bundesräte beschränkt werden und jeder
Gesetzentwurf zwei Lesungen erfordern. Diese Anträge zu seiner Geschäftsordnung
nahm der Bundesrat mit nur geringen Abänderungen bis zum 26. April in zwei
Lesungen an, und damit war dieser Konflikt erledigt.
War somit der Bundesrat nun einhellig für die Vorlage in ihrem ganzen Um-
jange, so zeigte sich der Neichstag dagegen bei der ersten Lesung derselben vom 27. bis
29. April keineswegs geneigt, darauf einzugehen. Nur die Konservativen und ein Teil
der Freikonservativen sprachen sich unbedingt für die Vorlage aus, namentlich mit gro-
ßer Wärme für die Börsensteuer. Die Ultramontanen hielten sich vorsichtig zurück.
Die liberalen Fraktionen aber erklärten: die Bewilligung neuer Steuern sei überhaupt
mißlich, solange sich die Ergebnisse der vorjährigen Zoll= und Steuergefetze noch nicht
übersehen ließen, die Besteuerung der Wertpapiere könnten sie nur unter gewissen Vor-
aussetzungen zugestehen, und die Quittungssteuer sei ganz zu verwerfen. Selbst Hölder
sprach gegen den Entwurf: er habe sich 1879 für die neue Steuerpolitik erklärt; aber
nach dieser Richtung dürfe sie sich nicht bewegen. Am Schlusse der Debatte wurde
die Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen, welche am 4. Mai die
Besteuerung der in= und ausländischen Aktien mit 5 vom Taufend genehmigte, die
Ouittungssteuer dagegen mit allen gegen eine Stimme (die des Grafen Wilhelm
Bismarck) ablehnte. Die Besteuerung der Lombarddarlehen versagte sie mit 11 gegen
9, und der Checks und Giroanweisungen mit 15 gegen 5 Stimmen. Weiter kam die
Beratung des Entwurses in diesem Jahre nicht. Er wurde aber dem Reichstag im
Frühjahr 1881 wieder vorgelegt und kam diesmal zum Abschluß. Am 1. Juli wurde
das Gesetz vom Kaiser unterzeichnet. Die Börsensteuer betrug danach 5 vom Tausend
für in= und ausländische Aktien, nach dem Vorschlag der Regierung. Dagegen setzte
der Reichstag die Steuer für in= und ausländische Renten= und Schuldverschreibungen
auf 2 vom Tansend und für Inhaberpapiere von inländischen Renten= und Schuld-
verschreibungen der Gemeindeverbände und anderer Körperschaften auf 1 vom Tau-
send herab, während die Vorlage 5 vom Tausend vorgeschlagen hatte. Die Renten-
titel des Neiches und der Bundesstaaten sind überhaupt nicht zu versieuern. Die
Lotteriestener wurde in der von der Regierung geforderten Höhe von 5 Prozent ge-
nehmigt. Dagegen ward die Besteuerung von Onittungen, Checks und Giroanweisungen
abgelehnt. Am bestrittensten war im Reichstage die Frage der Besteuerung der Schluß-
scheine und Börsenrechnungen gewesen. Die Neglerung hatte einen Stafseltarif vor-
geschlagen, nämlich die Schlußscheine und Nechnungen über inländische Werte von
über 300 Mark mit 10, 25 und 50 Pfeunig zu belegen, die Schlußscheine 2c. über