Full text: Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks.

882 II, õ. Versuche einer Versiändigung mit Rom (1878 88). 
der Besürchtung Ansdruck liehen, daß „in der Einleitung von Verhandlungen mit 
der Kurie schon an und für sich eine Verleugnung der seitens der Regierung bisher 
verkündeten Anffassung ihrer Aujgabe und Pflicht in Bezug aus die kirchliche Politil 
liege“, verlangte namientlich die ultramontane Presse ungestüm, „daß die Offentlichlkeit 
ũber den Gang und Stand der Verhandlungen unterrichtet werde“. Die halbamitliche 
„Provinzialkorrespondenz“ trat am 14. August in einem Artikel „Fürst Bismarck und 
der kirchliche Friede“ den Besürchtungen der nationalen und dem anmaßlichen Ver- 
langen der ultramontanen Presse mit gleicher Entschiedenheit entgegen. 
„Diejenigen, welche am lautesten nach Veröffenllichung der Verhandlungen verlangen, ge- 
hören zu denjenigen polilischen Kreisen, welche das geringste wirkliche Interesse für das Gelingen 
eines Friedenswerkes haben. Es kommt darauf an, von vornherein festzustellen, daß Fürst 
Bismarck, wenn er an seinem Teile ernst und gewissenhaft die Hand zum Frieden bietet, damit 
nur erfüllt, was er iumitten des lebhaflesten Kampfes jederzeit klar und bestimmt verkündet 
hatte . Wenn in dem Geiste des lronprinzkichen Schreibens vom 10. Juni d. J. und der 
in demselben bezeichneten Voraussetzungen Fürst Bismarck jetzt in vorbereitende Erörterungen 
mil einem Vertrauensmann des Papstes über die möglichen ersten Schritle zur Anbahnung 
eines Ausgleichs auf dem Boden der Thatsachen eingekreten ist, so steht dies nach obigen Andeu- 
tungen in vollem Einklange mitl seiner bisherigen Gesamlauffassung der kirchlichen Aufgaben 
der Regierung.“ 
Den Inhalt und Gang der Kissinger Verhandlungen von 1878 brachte erst ein 
Beschluß des preußischen Staatsministeriums vom 17. März 1880 zur allgemeinen 
Kenntnis durch eine Veröfsentlichung vom 12. April 1880. Diese Emhüllung besagte: 
„Die urfprünglichen Franchifchen Vorbedingungen, auf Grund deren vor zwei Jahren die 
ersten Vorbesprechungen des Reichskanzlers mit dem Nunzius Masella eingeleilet wurden, de- 
ruhlen nuf dem Gedanken, daß beide Teile durch thatsächliche Zugeständnisse auf dem Gebiele 
des praktischen Lebens eine Annäherung versuchen sollten. Als solche Zugeständnisse wurden da- 
mals bezeichnet auf römischer Seite die Anerkennung der Anzeigepflicht beider Anstellung von Geill- 
lichen, auf preußischer Seite die Wiederherstellung des diplomatischen Verlehrs. Dieses Programm 
schien beim Beginn der Kissinger Besprechungen der Genehmigung beider Teile sicher zu sein.“ 
Der Grund, warum gleichwohl die damals von beiden Seiten erhoffte Verstän- 
digung ausblieb, war ein sehr einfacher. Der Kardinal-Staatssekretär Franchi haite 
nämlich durch Masella das Zugeständnis der Anzeigepflicht an den Staat gemacht, 
welches seit fünf Jahren von der in der katholischen Kirche herrschenden jesuitischen 
Partei als gänzlich unmöglich verweigert worden war, und Frauchi hatte dagegen 
vom Staate nichts verlangt, als die Wiederherstellung der preußischen Gesandtschaft in 
Rom. Da ereilte Franchi das Unglück, welches schon so viele maßvolle Politiker der 
Kurie betras, die den Jesuiten in der Versöhnlichkeit gegen die staatliche Gewalt zu 
weit gingen: Franchi starb urplötzlich am 1. August 1878. 
Der vom Papste an Franchis Stelle ernannte Staatssekretär Kardinal Nina 
stand der jesuitischen Partei, wie die sofortige Stockung der Verhandlungen mit Preußen 
erraten ließ, anscheinend erheblich näher als sein unglücklicher Vorgänger Franchi. 
Vorerst aber trieb noch der Papst selbst seinen neuen Staatssekretär dazu an, die Bahn 
der Verständigung weiter zu beschreiten. Denn am 27. August 1878 schrieb Papf 
Leo an Nina: 
 
	        
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