Full text: Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks.

404 II, 5. Versuche einer Verständigung mit Nom (1878—83). 
Bischösen die Anzeige zu gestatten. Aber er hätte hinzusügen können, daß dieser 
„feste Wille“ durch die päpstliche Umgebung bisher noch stets durchkreuzt und vereitelt 
worden sei. Dasselbe geschah auch im Frühjahr 1883, insbesondere durch eine 
Note Jacobinis an Schlözer vom 7. April, deren Inhalt eine Note Schlözers an 
Jacobini vom 5. Mai 1883 dahin zusammensaßt: 
Der Papst wolle die Bischöfe zur Anzeige erst dann ermächtigen, wenn die preußische Re- 
gierung auf anderen kirchlichen Gebieten gewisse Gegenzugeständnisse gemacht habe. Die preu- 
-#ische Regierung aber werde ihr Entgegenlommen erst zeigen, „sobald mit der Erfüllung der 
gesetzlichen Anzeigepflicht der Anfang gemacht wird. Die prenßische Regierung legt auf die An- 
zeigepflicht einen hervorragenden Wert, denn es handelt sich für sie einmal um eine Ehrenfrage 
der Behandlung auf gleichem Fuß mil anderen Regierungen, welchen dieselbe Mitwirkung der 
weltlichen Behörden bei Berusung katholischer Geistlicher jederzeit unbedenklich eingeräumt wor- 
den ist, die Preußen versagt wird. Außerdem aber bildet die Mitwirlung der welllichen Macht 
bei ÜUbertragung geistlicher Amter die Vorbedingung für die Möglichleit gemeinsamer Arbeil der 
weltlichen und geistlichen Behörden an der Erhaltung und Befestigung ihres Einvernehmens. 
Ohne letzteres hat die Anzeigepflicht für die weltliche Regierung mehr formalen als praklischen 
Wert. Der Staatsregierung werden in den meisten Fällen die anzustellenden Priester weniger ge- 
nau bekannt sein als den geistlichen Behörden. Die Regierung wird also da, wo sie keinen Wider- 
spruch erhebt, deshalb doch leine Sicherheit haben, daß sie mit dem neu anzustellenden Geistlichen 
in friedlichen Beziehungen bleiben wird. Die Anzeigepflicht und die vorgängige Erörterung ei- 
ner Anstellung ist von hohem Werle, wenn das Verfahren von dem Geisle frichlichen Zusammen- 
wirkens beider Teile getragen wird. Sie verliert aber ihre Wichtigleit, wenn beide beteiligten 
Mächte, die weltliche und die geistliche, sich kämpsend oder doch ohne die Absicht der gegenseitigen 
Unterstützung gegenüberstehen ..Wenn die königliche Regierung die überzeugung hat, zur 
Verständigung zu gelangen, so würde diefelbe bereit sein, das Verlangen der Anzeige auf die 
mit Seelsorge verbundenen Psarrpfründen (bénéfices parochianz) anf die Pfarrverweser und 
aus die administrativ und politisch wichtigen höheren Kirchenämter (Generalvikare, Dekane 2c.) 
zu beschränken, die nichl bepfrilndelen (benéficiés) Hilfsgeistlichen aber auszunehmen. Wenn 
Fürst Bismarck hoffen dürfte, daß eine Gesetzesvorlage dieser Richtung die Kurie zur Gestallung 
der Anzeige bereitwillig machle, würde er geneigk sein, eine solche zu befürworten.. Dann würde 
der Regierung möglich sein, auch auf den Vorbehalk eines Widerrufsrechts zu verzichten und dem 
Gesetzentwurf eine für die gesamte Monarchie bestimmte Fassung zu geben, ohne die Distrilie aus- 
zunehmen, in welchen die poluische Sprache herrscht.“ 
Die ummittelbare Bezugnahme dieser Note auf den Fürsten Bismarck läßt unschwer 
erraten, wer sie veranlaßte. Ebenso berechtigt sind wir zu der Vermutung, daß der Fürst 
auch das weitere Vorgehen Preußens auf der schon seit drei Jahren von ihm beschrit- 
tenen Bahn leitete und billigke: ohne Rücksicht auf die Verhandlungen mit Nomn, aus 
eigener Machtvollkommenheit des Staates, die für den kirchlichen Frieden notwendigen 
Maßregeln einer „Nevision der kirchenpolitischen Gesetzgebung“ vorzuschlagen. Die 
halbamtliche „Provinzialkorrespondenz“ hatte das schon in Aussicht gestellt, als sie die 
Note Schlözers vom 5. Mai erläuterte. Als nun am 19. Mai die Antwort der Kurie 
auf diese Note derselben vorwarf, sie schlage eine ganz neue Ausgleichsbasis vor und 
berühre gar nicht die Wünsche der Kurie vom 7. April, da unterbreitete die preußische 
Regierung abermals aus eigener Machtvollkonnnenheit dem Landtag eine neue
	        
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