Berufsstatistik (1882). Zweiler und drilkter Unfatlgesetzentwurf (1882, 1881). 415
Wenn die Regierung jetzt selbst anerkannte, daß der erste vom Neichstag 1880
abgelehnte Entwurf eines Unfallversicherungsgesetzes „zu büreankratisch“ angelegt ge-
wesen sei, so war dem Reichstag nicht zu verargen, wenn er diesem zweiten Entwurf
vorwarf, daß die darin vorgesehene Organisation des Unfallversicherungswesens zu
verwickelt und schwersällig sei. Außerdem erhob sich aber aus vielen Parteien grund-
sätzlicher Widerspruch gegen Bismarcks Lieblingsidee, den Neichszuschuß. So wurde
denn dieser Entwurf schon in der Kommission begraben.
Erst 1884 glückte die Vereinbarung des wichtigen Gesetzes zwischen Re-
gierung und Reichstag auf Grund eines dritten Entwurfes. Diefe neue Arbeit
benutzte außer den Erfahrungen der vergeblichen zwei früheren Anlänfe namentlich auch
die wertvollen Unterlagen, welche die Berufsstatistik von 1882 für diese gesetzgeberische
Unternehmung geliefert hatte. Der dritte Entwurf zeigte gleich in seiner ersten Fassung
ein Gepräge der Reise, welches den beiden ersten gefehlt hatte. Er beschränkte die
Zwangsversicherung gegen Unfälle zunächst auf die Arbeiter in den bisher haftpflich-
tigen Betrieben (Vergwerken, Salinen, Ausbreitungsanstalten, Steinbrüchen, Gru-
ben, Werften, Bauhöfen, Fabriken und Hüttenwerken), sofern der Lohn, Gehalt oderm
das Jahreseinkommen 2000 Mark nicht übersteigt. Doch nahm der Entwurf schon
„die Ausdehmung der Unfallversicherung auf weitere Arbeitskreise im Wege befonderer
Gesetze“ in Aussicht. Gegenstand der Versicherung war der Ersatz des Schadens,
welcher durch Körperverletzung oder Tod entsteht. Nach dem Entwurf sollte die bis zu
zwei Dritteln des Arbeitsverdienstes bemessene Unfallrente erst mit der 14. Woche
nach dem Unfall voll ausgezahlt, bis dahin nur das geringere Krankengeld von den
Krankenkassen gewährt werden. Doch gelang es den Nationalliberalen, durch ein
Kompromiß mit den Konservativen und dem Zentrum, diese „Karenzzeit“ thatsächlich
auf vier Wochen zu beschränken. Nach diesem in das Gesetz übergegangenen Vorschlag
müssen nämlich die Krankenkassen nicht nur die Heilungskosten ersetzen, sondern von
der 5. Woche nach dem Unfall an bis zur 13. auch, und zwar mit Hilfe von Zu-
schüssen des Betriebsunternehmers, den Verunglückten mindestens zwei Drittteile des
Arbeitslohnes zahlen.
Namentlich aber löste der Entwurf aufs glücklichste und einfachste die schwierigsten
zwei Fragen, an welchen die beiden ersten Entwürfe gescheitert waren: „Wer soll der
Träger der Versicherung sein?“ und: „Wie ist die Organisation des Unfallversiche-
rungswesens zu gestalten?“ indem er die Berufsgenossenschaften zu alleinigen Trägern
der Versicherungspflicht machte und ihrer Bildung, Aeränderung und Selbstverwaltung
(Statuten 2c.) die größte Freiheit gewährte.
Die Berufsgenossenschaften, d. h. alle Betriebsunternehmer derselben Ge-
sahrenklasse, bilden zu gunsten ihrer Arbeiter eine Unfallversicherungsgesellschaft auf
Gegenseitigkeit, welche die Rechte einer juristischen Person oder „Genossenschast“ er-
wirbt, den Gläubigern der Genossenschaft aber nur mit dem Vermögen der Genossen-
schaft, nicht mit dem Privatvermögen der einzelnen Genossenschaftsmitglieder, haftet.
Die Mittel zur Deckung der von den Berufsgenossenschaften zu leistenden Entschädi-
gungsbeträge und Verwaltungskosten werden durch Beiträge aufgebracht, welche auf