Full text: Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks.

Verehrung des Prinzen u. Kaisers Wilheim für Bismarck. Gegen die Muckerei u. Slöckerei. 571 
bedeutsamste Kundgebung dieser Art war der Toast, welchen Kronprinz Wilhelm am 
1. April 1888 beim Festmahl zum Geburtstag des Reichskanzlers ausbrachte. Dieser 
Trinkspruch lautete: 
„Ew. Durchlaucht! Unter den 40 Jahren, welche Sie soeben erwähnten, ist wohl keins 
so ernst und schwerwiegend gewesen als das jetzige: Der Kaiser Wilhelm ist heimgegangen, dem 
Sie 27 Jahre lang tren gedient. Mit Begeisterung jubelt das Volk unserm jetzigen hohen Herrn 
zu, der Mitbegründer der Größe des jetzigen Vaterlandes ist. Ew. Durchlaucht werden Ihm, 
wie wir alle, mit derselben altdentschen Mannestrene dienen, wie dem Dahingeschiedenen. Um 
mich eines militärischen Bildes zu bedienen, so sehe ich unsere jetzige Lage an wie ein Regiment, 
das zum Sturm schreitet. Der Regimentskommandeir ist gefallen, der nächste im Kommando 
reitet, obwohl schwer getroffen, noch kühn voran. Da richten sich die Blicke auf die Fahne, die 
der Träger hoch emporschwenlt. So halten Ew. Durchlaucht das Reichspanier empor. Möge 
es, das ist unser innigster Herzenswunsch, Ihnen noch lange vergönnt sein, in Gemeinschaft mit 
unserm geliebten und verehrten Kaiser das Reichsbanner hochzuhalten. Gott segne und schütze 
denselben und Ew. Durchlaucht!“ 
Zahlreiche Beweise gleich huldvoller Verehrung des zum Throne gelangten jungen 
Kaisers für den ersten Diener des Reiches werden wir noch anzuführen haben. Das 
ganze deutsche Volk, mit Ausnahme der geschworenen Feinde Bismarcks im Deutsch- 
freisinn und Zeutrum, jauchzte dem Kaiser zu, so ost er den ersten Paladin des Reiches 
vor allem Volke ehrte und auszeichnete. Gleicher Jubel aber erhob sich, als Prinz und 
Kaiser Wilhelm die plumpen und frechen Versuche der reaktionären Muckerei und 
Stöckerei durchkreuzte, den deutschen Thronfolger und Kaiser für ihre engherzigen 
Parteibestrebungen einzufangen und ihn als blinden Anhänger dieses Treibens aus- 
zuspielen. Den Anlaß für dieses dreiste Unternehmen bot eine Versammlung, welche 
am 28. November 1887 in Berlin beim damaligen Generalquartiermeister Grafen 
Waldersee stattfand und den Zweck verfolgte, Mittel für die Berliner Stadtmission zu 
beschaffen. An dieser Versammlung nahmen auch Prinz und Prinzessin Wilhelm teil, 
außerdem Männer aller kirchlichen Nichtungen; neben Stöcker Nationalliberale, wie 
von Benda, Hansemann 2c., und zwar Männer aus dem ganzen Deutschen Reiche, weil 
der Zweck jener Versammlung war, in allen Kreisen Deutschlands Mittel zu sammeln, 
um dem kirchlichen Notstand, dem die in den Vorstadtgemeinden Berlins aus allen 
deutschen Gauen zusammenströmenden deutschen Brüder ausgesetzt waren, zu steuern. 
Graf Waldersee betonte dabei, daß die Verliner Stadtmission absolut keiner Partei 
angehöre. Prinz Wilhelm sprach in einer kurzen Rede seine Zustimmung zu den Aus- 
führungen des Grafen Waldersee aus. Die „Kreuzzeitung“ aber legte in ihrem Be- 
richt über die Rede des Prinzen diesem den Ausdruck „hristlich-sozialer Gedanke“ in 
den Mund, und sosort suchte sich die Stöckerei mit eifriger Beflissenheit an die Sohlen 
des Prinzen Wilhelm anzuheften. Gegen dieses Treiben gingen auch konservakive 
Organe, wie die „Post“, auss schärfste vor. (Näheres bei Schultheß a. a. O. 1887, 
S. 190— 201.) Prinz Wilhelm selbst wies diese Anmaßung scharf zurück. Denn 
als ihm die Hofprediger am 1. Jannar 1888 ihre Glückwünsche darbrachten und darin 
sich so stellten, als hätten die tadeluden Urteile der Presse dem Prinzen gegolten, seinem 
„lanteren Eintreten für die Arbeit des Neiches Gottes“, da antwortete der Prinz: „Die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.