572 III, 2. Anfänge der Regierung Kaiser Withelms II.
von Ihnen erwähnten Mißdentungen werden mich nicht abhalten, dem Vorbilde unseres
erhabenen Kaisers und meines teuren Vaters folgend, unbeirrt von politischen Partei-
bestrebungen stets zur Hebung des Wohles aller Notleidenden nach Kräften beizutragen.“
Und als trotz dieser deutlichen Zurechtweisung die Muckerei immer von neuem die
Aussprache des Prinzen auf der „Waldersee-Versammlung“ zu fälschen versuchte, da
hielt einer der Teilnehmer dieser Versammlung, der greise Abgeordnete von Benda,
Ende Oktober 1888 in Magdeburg eine Rede, in der er erklärte: er habe die Auße-
rungen des Prinzen Wilhelm unmittelbar nach jener Versammlung für sich nieder-
geschrieben und könne auf Grund dieser Aufzeichnung unbedingt versichern, der hohe
Herr habe ein durch politische und religiöse Parteistellung ungetrübtes Eintreten für
die Verliner Stadtmission gefordert. Nun erdreistete sich der Stöckersche „Reichsbote“,
die Rede von Bendas als „eine Ausnutzung der Person des Kaisers zu Kartell-Wahl-
zwecken“ zu bezeichnen. Da wurde jedoch diesem frechen Treiben ein für allemal ein
Ende gemacht durch die Mitteilung des offiziösen „Hamburger Korrespondenten“: „daß
der junge Kaiser, noch während er sich auf der Reife befand, Herrn von Benda für die
in Magdeburg gesprochenen Worte telegraphisch herzlich gedankt“ habe.
Endlich hatte Prinz Wilhelm schon öffentlich die Ausstreuungen widerlegt, als
sinne er auf Krieg und Eroberung. Denn am 8. Februar 1888 sagte er beim Festmahle
des Provinziallandtages der Provinz Brandenburg: „Ich weiß wohl, daß im großen
Publikum und insbesondere im Auslande mir leichtsinnige, nach Ruhm lüsterne Kriegs-
gedanken beigemessen werden. Ich weise solche Anschuldigungen mit Entrüstung zurück.“
Nachdem so das Bild des jungen Herrschers zur Zeit feiner Thronbesteigung in
einigen der wesentlichsten Züge „nach der Natur“ gezeichnet ist, wenden wir uns zu den
ersten Handlungen seiner Regierung.
Am 16. Juni 1888 schon erließ der junge Kaiser seine ersten Armcebefehle an
Heer und Flotte, in welchen der oberste Kriegsherr seinen Regierungsantritt anzeigte
und aussprach: „So gehören wir zusammen, so sind wir süreinander geboren, und
so wollen wir unaufhörlich sest zusammenhalten, möge nach Gottes Willen Friede oder
Sturm sein.“ Weil des Kaisers erster Erlaß dem Heer und der Flotte gegolten hatle,
verkündeten deutschfeindliche Preßorganc jetzt von neuem, daß er als „Soldatenkaiser“
werde herrschen wollen, ja, sie äußerten sogar Kriegsbefürchtungen. Ihnen bewiesen
aber schon die nächsten Tage und Monate, daß hierbei nur ihre Feindseligkeit gegen
Deutschland ihnen die Feder geführt hatte. Denn bereits in seinem Erlaß „An
Mein Volk“ erklärte der Kaiser und König am 18. Juni: „Ich habe die Regierung
im Aufblicke zu dem Könige aller Könige übernommen und Gott gelobt, nach dem Bei-
spiel Meiner Väter Meinem Volke ein gerechter und milder Fürst zu sein, Frömmig-
keit und Gottessurcht zu pflegen, den Frieden zu schirmen, die Wohlfahrt des Landes
zu fördern, den Armen und Bedrängten ein Helfer, dem Rechte cin treuer Wächter
zu sein.“ Im ausdrücklichen Auftrage des Kaisers erklärte Fürst Bismarck am 21. Juni
im Bundesrate weiter:
„Als die oberste seiner Aufgaben betrachtet der Kaiser die Aufrechlerhaltung der Reichsverfas
sung und den Schupy des Bundesgebieles wie eines jeden innerhalb desselben gelienden Rechls