40 I. 3. Erste Neichslagsverhandlungen und Reichsgesetzgebung (1871).
keiten, welche Deutschland erwachsen wären, wenn es nicht gelang, Frankreich zu einem
endgültigen Friedensabschluß zu bringen. Wie man der Ungewißheit dadurch ein
Ende hätte machen müsssen, „Paris entweder durch Akkord mit der Kommune oder
durch Gewalt einzunehmen“. Er wies dann nach, daß „in der Hauptsache ein be-
friedigender und endgültiger Abschluß“ erreicht worden sei, durch Verkürzung und
Sicherung der Zahlungen der Kriegsentschädigung in barem Gelde, durch Ordnung
der Handelsbeziehungen zu Frankreich, durch Negelung der Grenzfrage sowie durch
Erwerb der sranzösischen Bahnen in Elsaß-Lothringen. Dann schloß er, unter leb-
haftestem Beisall der Versammlung:
„Wir haben unsere Grenzen durch die Landadtretung gesichert, wir haben unsere Kriegs-
entschädigungen so weit gesichert, wie es nach menschlichen Verhältnissen überhaupt möglich war.
Ich erlaube mir, die Mitteilung mit dem Ausdruck der Hossunng zu schließen, daß dieser Friede
ein dauerhafter und segensreicher sein und dast wir der Bürgschaften, deren wir uns versichert
haben, um gegen einen elwa wiederhotten Angriss gesichert zu sein, auf lange Zeit nicht be-
dürsen mögen.“
Am 1. April schon hatte Bismarck dem Bundesrate den Gesetzentwurf vorgelegt,
welcher Elsaß-Lothringen für immer mit dem Deutschen Reiche vereinigte. Die
Versassung des Deutschen Reiches sollte in diesen Gebieten jedoch erst am Ende der
dreijährigen Gesetzgebungsperiode, also am 1. Jannar 1874 in Kraft treten; einzelne
Abschnitte derselben früher, nach Befinden des Kaisers, im Einvernehmen mit dem
Bundesrate durch kaiserliche Verordnung, also ohne Mitwirkung des Reichstags.
Das Recht der Gesetzgebung für Elsaß-Lothringen sollte auch in den Angelegenheiten,
welche in den Bundesstaaten des Reiches der Reichsgesetzgebung nicht unterliegen,
dem Neiche zustehen und bis zur Einführung der Reichsversasiung vom Kaiser im
Einvernehmen mit dem Bundesrat ausgeübt werden, also abermals ohne Mitwirkung
des Reichstags. Alle anderen Rechte der Staatsgewalt übt der Kaiser aus.
Damit war die Frage, welche seit Monaten alle Gemüter in Deutschland be-
wegte, die Frage, unter welchen staatsrechtlichen Verhältnissen Elsaß-Lothringen dem
Deutschen Reiche wieder angegliedert werden solle, in dem Sinne entschieden, daß sie
unmittelbares RNeichsland würden. Dieser Vorschlag Bismarcks an den Bundesrat
befriedigte damals wohl nur eine Minderheit der sogenannten öffentlichen Meinung,
deren große Mehrheit, unter der Führung so bedeutender Männer wie Treitschke, viel-
mehr für die Einverleibung der neuen Landesteile in Preußen eintrat. Dagegen sehlte
es auch nicht an Stimmen, welche die Angliederung des Landes an Baden, gar dessen
Verteilung an Baden und Bayern verlangten. Das Aneland sang dagegen in rüh-
renden Tönen das Lied von der künftigen Schöpfung eines „neutralen“ Staates
Elsaß-Lothringen. Mannhaft wehrten sich die Bewohner des Elsaß selbst gegen den
thörichten Vorschlag, ihr Land zu gunsten mehrerer süddentscher Staaten zu zerfetzen.
Denn um Mitte April sand in Kolmar eine Versammlung von Vertrauensmännern
des Oberelsaß, am 16. April in Straßburg die Zusaumnenkunst von 150 Notabeln
des Unterelsaß statt, welche die Wünsche des Landes für die bevorstehenden Ver
handlungen des Reichstags über Elsaß-Lothringen zur Geltung brachten. Diese