Full text: Unsere Sozialdemokratie im Spiegel der ersten französischen Revolution.

30 Unsere Sozialdemokratie 
drücklichen und einstimmigen Genehmigung der ge— 
samten Menschheit bedürftet, um von dem gemeinsamen 
Vermögen euch dasjenige anzueignen, was über euren 
Anteil hinausgeht?“ 
An diesen Worten erkennt man durch die Theorie hindurch 
die scharfe persönliche Betonung, den Groll des armen Plebejers, 
des Verbitterten, der bei seinem Eintritt in die Welt die Plätze 
besetzt fand, und nicht verstand, den seinigen sich zu schaffen, 
der in seinen Bekenntnissen den Tag rot anstreicht, da er auf- 
gehört hat, zu hungern, der in Ermangelung eines bessern mit 
einer Dienstmagd in wilder Ehe lebt, und seine fünf Kinder 
kaltsinnig ins Findelhaus schaffen läßt, der nacheinander Be- 
dienter, Handlungsdiener, zigeunerhafter Winkelschriftsteller, 
Lohnschreiber ist, und immer darauf lauert und danach trachtet, 
seine Unabhängigkeit zu gewinnen und zu behaupten, empört 
durch den Widerspruch der Stellung, unter welcher er seufzt, 
mit der großen Seele, welche er in sich fühlt, der dem Neid 
nur entgeht durch Anschwärzung, und im Grunde seines Her- 
zens tiefeingefressen die ganze Bitterkeit bewahrt „gegen die 
Reichen und Glücklichen der Welt, als ob sie reich geworden 
wären auf seine Kosten, und als ob ihr angemaßtes Glück von 
dem seinigen erschlichen worden wäre“.) 
Das Eigentum ist aber nicht bloß ungerecht durch 
seinen Ursprung, sondern es reißt durch eine zweite 
Ungerechtigkeit auch die Macht an sich und sein Unheil 
wächst, wie ein Krebsleiden, unter der Parteilichkeit des 
Gesetzes. „Sind nicht alle Vorteile der Gesellschaft den Mäch- 
tigen und Reichen vorbehalten?“ fragt Rousseau in seiner Ab- 
handlung über die Volkswirtschaft (S. 326). „Sind nicht alle 
gewinnbringenden Berufe allein von ihnen angefüllt? Und wird 
die öffentliche Macht nicht ganz zu ihren Gunsten geübt? ... 
Welch ganz anderes Bild bietet der Arme dar! Je mehr die 
Menschlichkeit ihm schuldet, um so mehr versagt ihm die Gesell- 
*) Emile Bd. IV S. 13.
	        
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