Full text: Unsere Sozialdemokratie im Spiegel der ersten französischen Revolution.

im Spiegel der ersten französischen Revolution. 31 
schaft. Alle Thüren sind ihm verschlossen, selbst wenn er das 
Recht hat, sie öffnen zu lassen; und wenn er manchmal Gerech- 
tigkeit erhält, so wird es ihm schwerer als einem anderen, 
Gnade zu erlangen. Mit einem Worte: jeder freiwillige Bei- 
stand flieht ihn, wenn er in Not ist, und nur deshalb weil er 
nichts hat, ihn zu bezahlen. Für einen verlorenen Menschen 
halte ich ihn aber vollends, wenn er das Unglück hat, recht- 
schaffenen Sinn, eine hübsche Tochter und einen mächtigen Nach- 
barn zu besitzen. Fassen wir in vier Worten den sozialen Ver- 
trag dieser beiden Stände (der Reichen und Armen) zusammen, 
so lautet er: „Ihr bedürft meiner, denn ich bin reich und 
ihr arm. Treffen wir also eine Vereinigung unter 
uns; ich will euch die Ehre gönnen, mir zu dienen, 
unter der Bedingung, daß ihr mir für die Mühe euch 
Befehle zu erteilen, das Bischen gebt. was euch übrig 
bleibt.“" 
Das zeigt uns Geist, Zweck und Wirkung der poli- 
tischen Gesellschaft, wie sie, nach Rousseaus Auffassung, ist 
und sein sollte. „Anfangs also war sie“, nach Rousseau, „ein 
ungleicher Vertrag, welcher geschlossen wurde zwischen dem ver- 
schmitzten Reichen und dem betrogenen Armen, ein Vertrag, 
welcher „dem Schwachen neue Fesseln anlegte, dem Reichen aber 
neue Kräfte zuführte, und unter dem Namen des rechtmäßigen 
Eigentums die widerrechtliche Aneignung des Bodens heiligte.“ 
— Heute aber ist sie ein noch ungleicherer Vertrag, 
dank welchem ein Kind einem Greise gebietet, ein Blödsinniger 
vernünftige Männer leitet, eine handvoll Leute im über- 
flusse schwelgt, während die verhungerte Masse des 
Nötigsten ermangelt.“ Es liegt in der Natur der Ungleich- 
heit, in sich selbst zu wachsen. Deshalb ist zugleich der Einfluß 
der einen und die Abhängigkeit der andern größer geworden, 
„so daß endlich, da die beiden Gegensätze zum Außersten ge- 
kommen sind, die erbliche und ewige Knechtschaft des 
Volkes einen Anschein von göttlicher Berechtigung gewonnen 
hat, wie dererbliche und ewige Despotismus des Königs."“
	        
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