Full text: Unsere Sozialdemokratie im Spiegel der ersten französischen Revolution.

34 Unsere Sozialdemokratie 
welche in der Hand des Herrn Liebknecht wie Drahtpuppen vor 
dem Volke tanzen. Und die ursprünglichen Vorstellungen, von 
welchen Rousseau und Marx ausgehen, sind grundverschieden. 
Rousseau sahen wir beginnen mit der Losung, welche das vorige 
Jahrhundert beherrscht: „Rückkehr zur Natur!“ Er schildert den 
Urmenschen gut, tugendhaft, frei, ohne Eigentum, welches viel- 
mehr noch als Gemeingut gedacht ist, er macht die bestehende 
Gesellschaft verantwortlich für alles Laster, olles Elend, alle 
Unnatur, alle Unfreiheit, und fordert endlich die gewaltsame 
Befreiung durch den Umsturz alles Bestehenden als unveräußer- 
liches Urrecht der Menschheit. 
Die sozialistischen Programme von Gotha (1875) und 
Erfurt (1891) stellen sich an der Hand von Karl Marx den 
Urzustand der menschlichen Gesellschaft wesentlich anders vor. 
Damals, sagen sie, war jeder im Besitz der Arbeitsmittel, welche 
er zu seinem Dasein brauchte, im Besitze von Grund und Boden, 
von Werkzeugen, Maschinen u. s. w. Erst dadurch, daß das 
Kapital die Herrschaft erlangt hat, ist die Ungleichheit in die 
Welt gekommen; der Arbeiter, der alleinige Bildner aller Werte, 
ist um den ganzen Wert und Preis dieser Waren betrogen, auf 
einen elenden Lohn hinabgedrückt, er ist beraubt aller Arbeits- 
mittel, welche das Kapital gleichfalls an sich gerissen hat. 
Aber völlig gleichartig erscheinen die Dogmen 
Rousseaus und unserer Sozialdemokraten dennoch in 
der Hauptsache. Derselbe Haß gegen die „Reichen“, die un- 
rechtmäßigen „Machthaber“, die widerrechtlich „Bevorrechteten“ 
beseelt sie. Dieselbe überschätzung des „Arbeiterstandes“, 
welcher allein gut, warmherzig, tugendhaft und allein geeignet 
sein soll, die gesamte Befreiung des Menschengeschlechts durch- 
zuführen. Dieselbe Verleumdung und Lästerung der Ge- 
setze und Regierungen, als ob diese nur zu Gunsten der kleinen 
herrschenden, das gesamte übrige Volk aussaugenden Minderheit 
Reicher und Mächtiger gegeben seien und gehandhabt würden. 
Dieselbe Forderung, daß niemand ein Recht auf Privat- 
eigentum habe. Endlich dieselbe düstere Schilderung der Ver-
	        
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