6 Unsere Sozialdemokratie
hunderten und vor Jahrtausenden. Wir können daher mit einer
so vollkommenen Sicherheit, daß nur die Hunderttausendteile
eines Dezimalbruchs sich anders gestalten können, vorhersagen:
wenn unsere Sozialdemokratie jemals zu Alleinherrschaft in
unserer Regierung und in unserem Volke gelangte, so würde sie
genau so verfahren, wie die jakobinische Schreckensherrschaft, ihre
ältere vollbürtige Schwester, in Frankreich gerade jetzt vor hun-
dert Jahren verfuhr.
Glücklicherweise bewahrt unser deutsches Volk so viele und.
und starke Kräfte des Widerstandes gegen die Verwirklichung
der sozialdemokratischen Schreckensherrschaft auf deutschem Boden,
daß die Vergleichung unserer Zustände mit denen Frankreichs
vor und während der ersten französischen Revolution beinahe als
Frevel, mindestens als unnütze Spielerei erscheinen könnte.
Denn Königtum und Regierung stehen bei uns fest und sicher
auf dem Boden der Reichsverfassung und des Landesstaatsrechts
und walten zielbewußt ihres Amtes, getragen von der Liebe
und dem Vertrauen eines treuen, dankbaren und freien Volkes.
Kirche und Adel schwelgen bei uns keineswegs im Besitze jener
ungeheuerlichen Vorrechte und führen ihr Dasein mit nichten
so ganz außerhalb und abseits des übrigen Volkes, wie in
Frankreich vor der ersten französischen Revolution, so daß bei
uns jener finstere einmütige Haß gegen sie nicht aufkommen
könnte, mit welchem um das Jahr 1789 in Frankreich alle
nicht bevorrechteten Volksklassen die privilegierten verfolgten.
Unser Heer außerdem ist das Volk in Waffen, der eherne Fels,
an dem sich jede Sturmflut von außen und von innen her ge-
brochen hat und brechen wird. Es ist nicht, wie in den Tagen
des unglücklichen französischen Königs Ludwigs des Sechszehnten
zusammengesetzt aus einer kleinen Zahl von übermäßig besol-
deten Generalen und Obersten, nicht aus Ofsfizieren, die ihr
Patent bezahlen und forterben, unsere Soldaten sind nicht eine
große wüste Masse verlorener Söhne, die, nach dem Schiffbruch
ihres Lebens, in der Armee ein klägliches Dasein fristen. Unfre
Richter- und Beamtenstellen sind nicht käuflich und vererblich wie