94 Zweiter Teil: Organisation des Bundes.
§ 106. Wer ein Mitglied einer der vorbezeichneten Versamm-
lungen durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren
Handlung verhindert, sich an den Ort der Versammlung zu begeben
oder zu stimmen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit
Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis
zu zwei Jahren ein.
VI. Die rechtliche Stellung der einzelnen Mitglieder des Bundesrates.
Die Bevollmächtigten zum Bundesrate werden von ihren Sou-
veränen ernannt und entlassen. Ihre Ernennung ist stets widerruflich.
Sie sind daher keine Reichsbeamten und beziehen weder ein Gehalt
vom Reiche, noch stehen sie unter der Disziplinargewalt desselben.
Sie sind an die Instruktion ihrer Souveräne unbedingt gebunden
(daher die Ausdrucksweise: „Bevollmächtigte“) und werden deshalb
auch nicht auf die Reichs-Verfassung vereidigt (Sten. Bericht 1867 I. S. 375).
Da sie Vertreter ihrer Souveräne sind, schreibt Art. 9 der
Reichs-Verfassung vor: „Niemand kann gleichzeitig Mitglied des
Bundesrates und des Reichstages sein.“
Die Bundesratsmitglieder stehen unter besonderem strafrechtlichem
Schutz (Strafgesetzbuch § 1060). Dem Kaiser liegt es ob, den Mitgliedern
des Bundesrates (exclusive der preußischen) den (völkerrechtlich) üblichen
diplomatischen Schutz zu gewähren (Reichs-Verfassung Art. 10 und Ger.-
Verf.-Gesetz § 18, Abs. 2 und § 19).
Die Mitglieder des Bundesrates sind während ihres Ausenthalts
am Sitze des Bundesrates an diesem Sitze als Zeugen oder als
Sachverständige zu vernehmen (Strafprozeß-Ordnung § 49, Abs. 2 und § 76,
Civilprozeß-Ordnung § 382 und 102). Sie können die Berufung zum Amt
eines Schöffen ablehnen (5 35 des Ger.-Verf.-Gesetz 1898, S. 371).
VII. Gebührenfreiheit.
Auf sämtlichen Telegraphenlinien des Deutschen Reichs genießen
die Gebührenfreiheit:
Telegramme, welche von den Bevollmächtigten zum Bundesrat
während ihrer Abwesenheit in Berlin in Bundesratsangelegenheiten
aufgegeben werden, oder welche an diese Bevollmächtigten aus anderen
Orten des Deutschen Reichs in Bundesratsangelegenheiten eingehen
(§ 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 2. Juni 1877, S. 524).
Das gleiche gilt hinsichtlich des Portos.
3. Kapitel.
Die Bundesrats-Ausschüsse.
I. Die dauernden, ständigen, ordentlichen Ausschüsse.
Der Bundesrat bildet aus seiner Mitte dauernde Ausschüsse: