V. Abschnitt.
Das Präsidium des Reiches.
1. Kapitel.
Die staatsrechtliche Stellung des Kaisers.
J. Präsidium des Bundes steht dem König von Preußen zu,
welcher den Namen „Deutscher Kaiser“ führt (Reichs-Verfassung
Art. 11). Dieses Präsidialrecht des preußischen Königs ist vererblich,
und es leistet derselbe demgemäß auch keinen besonderen Eid auf die
Reichs Verfassung. Er ist primus inter pares (Sten. Bericht 1867 II,
E. 72).
Die preußische Verfassungs-Urkunde bestimmt in Betreff der
Thronfolge folgendes:
Art. 53. Die Krone ist, den königlichen Hausgesetzen gemäß,
erblich in dem Mannesstamme des königlichen Hauses nach dem Rechte
der Erstgeburt und der agnatischen Linearfolge.
Art. 54. Der König wird mit Vollendung des 18. Lebens-
jahres volljährig. Er leistet in Gegenwart der vereinigten Kammern
das eidliche Gelöbnis, die Verfassung des Königreichs fest und unver-
brüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den
Gesetzen zu regieren.
Art. 55. Ohne Einwilligung beider Kammern kann der König
nicht zugleich Herrscher fremder Reiche sein.
Art. 56. Wenn der König minderjährig oder sonst dauernd
verhindert ist, selbst zu regieren, so übernimmt derjenige volljährige
Agnat (Art. 53), welcher der Krone am nächsten steht, die Regentschaft.
Er hat sofort die Kammern zu berufen, die in vereinigter Sitzung
über die Notwendigkeit der Regentschaft beschließen.
Art. 57. Ist kein volljähriger Agnat vorhanden, und nicht
bereits vorher gesetzliche Fürsorge für diesen Fall getroffen, so hat
das Staatsministerium die Kammern zu berufen, die in vereinigter
Sitzung einen Regenten erwählen. Bis zum Antritt der Regentschaft
von seiten desselben führt das Staatsministerium die Regierung.
Art. 58. Der Regent übt die dem König zustehende Gewalt
in dessen Namen aus. Derselbe schwört nach Einrichtung der Regent-
schaft vor den vereinigten Kammern einen Eid, die Verfassung des