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Wenn wir den deutschen Bund als Staatenbund betrachten, —
dazu sind wir aber nach der auf sicheren Quellen beruhenden Kenntnis
seiner Entstehungsgeschichte gezwungen —, so müssen wir die ihm ein-
geräumte Exekutionsgewalt gegen seine Glieder als einen Zwang gegen
diese auffassen, dem sich der Gliedstaat bei Eingehung des Bundes-
vertrages, also auf vertragsmäßigem Wege unter der Voraussetzung
unterworfen hat, daß er die Bundesakte und die übrigen Grundgesetze des
Bundes, die Beschlüsse und die übrigen im Art. 1 der Exehutionsord-
nung vom 3. August 1820 aufge zählten Erfordernisse nicht erfüllen würde.
Der Zwang zielt auf Erfüllung der durch den Bundesvertrag
übernommenen Dflichten, er soll der Erzwingung der Bundestreue dienen.
Auf eine Erzwingung des Gehorsams kann die Exekution aus dem
Grunde nicht gerichtet sein, weil in einem Staatenbunde mit gleichberech-
tigten, selbständigen Bundesgliedern, die keinen höheren Willen über
sich anerkennen als den Bundesvertrag, der sie gleichmäßig bindet,
von einer über den einzelnen Gliedstaaten stehenden Gewalt, der etwa
Gehorsam geschuldet würde, nicht gesprochen werden kann.
Der erste Teil der Exehutionsordnung, umfassend die Artikel I.
bis VI enthält
A. Grundsätze über die Anordnung einer Erekution.
1. Der Bundesversammlung ist die Pflicht zugewiesen, alle Gesetze
und Beschlüsse des Bundes in ihrer Ausführung zu überwachen.
Zur Erfüllung dieser Aufgabe bedarf sie auch gewisser Mittel,
über die sich die Exekutionsordnung nicht deutlich ausspricht.
In erster Linie erfordert sie eine Erschöpfung der „bundesver-
fassungsmäßigen Mittel.“ Als solche müssen angesehen werden:
Diplomatische Vorstellungen bei der Regierung des betreffenden
Staates, ferner gütliche Aufforderungen seitens der Bundesver-
sammlung, schließlich die Stellung eines Ultimatums von seiten
der Bundesversammlung unter Androhung der Exekution.1!) Alle
diese milderen Mittel will Art. 1 zunächst in Anwendung gebracht
wissen, ehe zu den in der Exekutionsordnung zur Verfügung ge-
stellten Gewaltmaßnahmen Zuflucht genommen wird.
Es steht also nicht im Belieben der Bundesversammlung zu
entscheiden, ob sie für die Vollziehung der Bundesgesetze und Be-
schlüsse sorgen wolle oder nicht. Der klare Wortlaut des Art. 1
schließt jede derartige Deutung aus. Sie ist vielmehr ebenso ver-
pflichtet wie berechtigt zur Verhängung der Exekution.
Als Hauptursachen einer Nichtvollziehung der hompetenz-
aen Bundesgesetze und -Beschlüsse wurden folgende voraus-
gesetzt::
1. Ein Bundesstaat, welcher einen der in diese Kategorie fallenden
Bundesbeschlüsse unvollzogen läßt oder ihn unvollständig voll-
Dschilling S. 65 u. 66.
2) Welcker S. 208.