Unentschlossenheit der sächsischen Politik. 109
Anzug war und die Hälfte von Sachsen sich in der Gewalt
der Franzosen befand, noch auch einladend bei den Erinne-
rungen an die Bundesgenossenschaft von 1805 und 1806, bei
dem gespannten Verhältnisse, in dem man zeither zu dieser
Macht gestanden, am wenigsten aber bei dem Gedanlen an die
Opfer, die derselbe möglichenfalls der sächsischen Souverainetät
zu Gunsten Preußens auferlegen würde. Ohne Zweifel waren
die vorhandenen Schwierigkeiten groß, aber es fehlte auch der
männliche Wille und selbst die Einsicht, um sie zu über-
winden. „Darin sind wir einig“, hatte Senfft zu Zezschwitz
gesagt, „wenn der Zeitpunkt da ist, das Joch abzuschütteln,
dann müssen wir handeln“, aber weder über das Wann
noch das Wie dieses Handelns konnte man mit sich ins Reine
kommen. Anfangs dämmerte noch die Hoffnung auf eine
preußisch--österreichische Neutralität; als diese zerrann, griff der
Gedanke Platz, daß Sachsen mit Osterreich und Baiern eine
bewaffnete Neutralität zwischen den Streitenden aufrichten
müsse. Es war eine Rechnung mit lauter unbekannten Fac-
toren, denn noch wußte man gar nicht, wozu Österreich sich
entschließen werde, es war ein Hirngespinst bei der Gering-
fügigkeit der eigenen Streitmittel, denn diese bestanden im
Augenblicke aus nicht ganz 10000 größtentheils neuen Leuten,
von denen etwa 1000 kampffähig waren, aber das treibende
Motiv war die Furcht vor Preußen, JFurcht sowohl vor den
Tendenzen der preußischen Politik, wie vor dem im preußischen
Volke sich regenden Geiste. Man erfuhr mit Schrecken, daß
der König von Preußen auf seiner Reise nach Breslau in der
Lausitz mit lebhaften Zurufen empfangen worden war, denn
man konnte sich nicht bergen, daß die alte Anhänglichkeit an
den König unter den Erfahrungen der letzten Jahre bedenklich
abgenommen hatte 7).
1) v. Zezschwitz 16. Februar: „Kein Heil, keine Rettung ist für
Sachsen zu finden als in der Verbindung mit Osterreich. Ee ist
sehr zu besorgen, daß, insonderheit wenn die Occupatlon des Landes unter
preußischer Mitwirkung erfolgen sollte, die Stimme des Volks sich auf