222 Sachsen während des Befreiungskriegs von 1813.
war und sich jetzt mit dieser in Napoleons unmittelbarer Nähe
bei der Quandtschen Tabaksmühle befand, blieb ohne alle Kunde
von dem Vorgefallenen und wurde mit anderen Truppen zu
Poniatowski's Heerestheil nach Lößnig beordert.
Der Übergang, ohne planmäßige Vorbereitung, bloß im
Drange der häöchsten Noth beschlossen und ausgeführt, war nur
unvollständig gelungen und damit die Hoffnung seiner Urheber,
durch Erhaltung des Corps als geschlossenen Truppenkörpers
bei der Entscheidung über Sachsens Schicksal ein Gewicht in
die Wagschale werfen zu können, vereitelt. Eben weil der
Übergang nicht erreichte, was er sollte, hat er später manche
barte Beurtheilung erfahren, härter als unmittelbar nach der
That, wo sich nicht einmal findet, daß sich der König mißbilli-
gend über dieselbe ausgesprochen habe. Niemand aber wird
jetzt mehr einen Stein auf jene Männer werfen, die, von den
reinsten Absichten beseelt und von der Überzeugung durchdrungen,
nur so König und Vaterland retten zu können, ihr Heiligstes
zum Opfer brachten und der höheren Pflicht gehorchend die
schwerste Schuld auf sich luden, die es für den Soldaten gibt,
indem sie auf dem Schlachtfelde ihre Reihen verließen und
zum Feinde übergiengen. Nicht sie verdienen den Vorwurf
sondern Diejenigen, welche sie vor diese grausame Alternative
gestellt hatten.
In der Umgebung des Königs scheint völlige Unkunde über
den wahren Stand der Dinge geherrscht zu haben. Der König
war wie gelähmt und erwartete unbeweglich, was das Schicksal
über ihn verhängen würde. Eine in der Nähe einschlagende
Granate trieb ihn mit seiner Familie in das gewölbte Erd.
geschoß, wo er bis zum Abend blieb. Den vom Schlachtfelde
zurückkommenden General v. Zeschau empfing er gütig, be-
stätigte den Major v. Holleufer in dem Commando über die
wenigen ihm verbliebenen Truppen und behielt Zeschau bei
sich ). Napoleon fuhr fort den König mit seinen Siegesbot-
schaften zu täuschen; erst am späten Abend dämmerte diesem durch
1) Aster II, 226.