Banner, Landwehr und stehendes Heer. 219
wehr, die durch einen Ausschuß unter Vorsitz des Generals
v. Vieth und unter diesem durch Kreisausschüsse geleitet wurde.
Dieselbe sollte theils ebenfalls aus Freiwilligen, theils unter
Zulassung gewisser Ausnahmen 1) aus allen wehrbaren Männern
von 18 bis 45 Jahren, soviel zur Ergänzung der ersteren
nöthig, bestehen. Ihre Offiziere wurden vom Gouvernement
ernannt, bis zum Hauptmann auf Vorschlag der Kreisausschüsse,
die höheren auf den des Generalstabschefs. Sollten jedoch Besitzer
adeliger Güter oder höhere Staatsdiener bei der Wahl über-
gangen werden, so sollten diese in den Landsturm versetzt werden,
da es nicht die Absicht sei die bürgerlichen Verhältnisse zu
stören. Auch die Landwehr hatte sich selbst zu kleiden, Waffen
und Munition erhielt sie vom Generalgouvernement, außerhalb
ihres Kreises Besoldung und Verpflegung des stehenden Heeres.
Selbst von den Kanzeln wurde zur thätigen Theilnahme an
der allgemeinen Landesbewaffnung aufgefordert, doch gereichte
natürlich die große Bevorzugung des Banners der Landwehr
vielfach zum Nachtheil. Der Landsturm kam überhaupt nicht
zu Stande.
Die Reorganisation des stehenden Heeres, welche in der
Gegend von Merseburg stattfand, sowie der Oberbefehl über
dasselbe war von den Verbündeten dem General Thielmann
übertragen worden. So viel Befähigung auch dieser durch
Geschick, Fachkenntniß und Energie für diesen Posten besaß, so
machte doch die Erinnerung an das Vergangene seine Wahl zu
einer nicht eben glücklichen und Thielmann selbst gab weder
durch die Annahme derselben noch auch durch die Art seines
Auftretens als nunmehriger Befehlshaber Beweise besonderen
Zartgefühls. Die hochgesteigerte Vornehmheit und der kalte
Stolz, womit er den Offizieren gegenübertrat, die Deutschthümelei,
die dem früheren enthusiastischen Verehrer Napoleons sonderbar
stand, vor allem die verletzende Bitterkeit, mit der er sich
über den König von Sachsen aussprach, endlich die Art, wie
er sich des ihm von Alexander eingeräumten Rechtes, bis zum
1) u. a. der Schäfer auf den Schäfereien, „wo noch Schafe seien“.