286 Das fremde Gouvernement und der wiener Congreß.
rigen Lage, in die Jemand durch die Umstände gekommen sein
kann“, gieng auf die übrigen Rheinbundfürsten, denen man
diesen Vorwurf nicht mache. Talleyrands überlegene Schlau-
heit, die selbst theatralische Kunstgriffe nicht verschmähte, be-
hauptete das Feld gegen den Unmuth des Kaisers 1) und er
säumte nicht seinen Vortheil auszunutzen. Absichtlich, nur um
zu schrecken und zu verwirren, stellte er unausführbare For-
derungen. Voll Furcht, er möchte, wenn man ihn auf die Seite
schiebe, die ohnehin auf die Allmacht der großen Höfe eifer-
süchtigen Mächte zweiten und dritten Rangs unter Frankreichs
Fahne zu gemeinschaftlicher Opposition sammeln, willigte man
in seinen Verschlag, die Eröffnung des Congresses zu verschieben
um vorher eine Verständigung zu erzielen. Hierdurch kühner
gemacht trat jetzt Talleyrand mit der Forderung hervor, es
sollten alle Diejenigen in den Congreß ausgenommen werden,
die vor dem Kriege im Besitz der Sourerainetät gewesen seien
und ihr noch nicht förmlich entsagt hätten; das hieß, den König
von Sachsen als gefügiges Werkzeug der französischen Pläne in
den Rath der Mächte einführen und im voraus die Erhaltung
des sächsischen Staates aussprechen. Der Vorschlag wurde
entschieden zurückgewiesen und man einigte sich schließlich, der
zu erlassenden Erklärung die Fassung zu geben, „die Eräffnung
des Congresses sei bis zum 1. November vertagt worden in
der Hoffnung, daß bis dahin die zu entscheidenden Fragen zu
einem solchen Grad der Reife gebracht sein würden, daß das
Ergebniß den Grundsätzen des Völkerrechts, den Bestimmungen
des pariser Friedens und den gerechten Erwartungen der Zeit-
genossen entsprächen“.
Dieser Erfolg gab dem Tuileriencabinet wunderbar schnell
seine ganze Zuversicht wieder. Der Minister Blacas sprach
sich gegen den englischen Gesandten Wellington auf das heftigste
gegen Rußlands und Preußens Pläne aus; er betheuerte, der
König von Frankreich werde nie einen Vertrag unterzeichnen,
) & Haussonville: „Congres de Vienne“, in Revne des deuz
mondes XXXIX (1862), p. 363.