Die sächsische Frage auf dem Congreß. 291
beißt das öffentliche Recht in Europa vernichten und es unter
die Herrschaft der Willkür und Gewalt stellen; sich zum Richter
eines souverainen Fürsten aufwerfen, heißt alle Revolutionen
für rechtmäßig erklären, ihn für verurtheilt ansehen, während
er noch nicht gerichtet ist und nicht einmal gerichtet werden
kann, heißt die ersten Elemente des natürlichen Rechtes und
der Vernunft mit Füßen treten. Seine Entsehung würde aber
nicht bloß eine widerrechtliche sondern auch eine unkluge Hand-
lung sein. Preußen würde durch die Erwerbung von zwei
Millionen widerwilliger Unterthanen nicht gestärkt sondern ge-
schwächt, Deutschland dadurch der Gefahr innerer Unruhen und
der Einmischung Frankreichs ausgesetzt, zwischen Osterreich und
Preußen, deren Eintracht für seine Nuhe und Sicherheit so
nothwendig ist, die Eifersucht aufs neue angefacht werden. Für
England wäre es kein Gewinn, wenn einer der größten Meß-
plätze Europas in preußische Hände fiele. Selbst die Absicht,
Preußen dadurch zur Schutzmauer gegen Rußland zu macken,
würde nicht erreicht, eher die Gefahr vergrößert, daß es um
in Deutschland weitere Vergrößerungen zu erzwingen Rußland
in seinen Plänen auf die Türkei unterstütze. Noch deutlicher
war die Sprache der pariser Regierungsblätter; Frankreich,
verkündeten sie pomphaft und drohend, nehme jetzt die Rolle
als Beschützer der Schwachen und Vertheidiger der Unterdrückten
wieder auf.
Je lauter dieser Widerspruch sich ankündigte, um so nach-
drücklicher drang Stein darauf vie Übergabe der Verwaltung
Sachsens an Preußen nicht länger zu berzzgern. Am 18. October
genehmigte auf seinen Antrag Alexander das Protokoll vom
28. September, worauf Stein dem Fürsten Repnin den Befehl
ertheilte diese Anordnung in Vollzug zu setzen. Um die Besitz-
nahme unwiderruflich zu machen, hatte er schon im August den
Antrag gestellt, den Prinzen Wilhelm, des Königs Bruder,
der durch Adel und Milde des Charakters vorzugsweise befähigt
schien die Herzen der neuen Unterthanen zu gewinnen, an die
Spitze der Verwaltung Sachsens zu stellen, allein Friedrich
Wilhelm III. kämpfte damals noch unter dem Eindrucke der
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