Die sächsische Frage auf dem Congreß. 293
Mit mehr Zurückhaltung drückte sich eine Bekanntmachung des
neuen preußischen Generalgouvernements aus, „daß vermäge
einer zwischen den verbündeten Mächten getroffenen übereinkunft
die Besetzung und Verwaltung Sachsens von Rußland auf
Preußen übergegangen sei“ 1). Die Ergebnisse seiner Verwal-
tung legte Repnin in einer durch den Druck veröffentlichten
Übersicht dar, welche für die Einsicht und Thätigkeit, das Ge-
schick und das Wohlwollen des russischen Gouvernements ein
dauerndes Denkmal bildet. Sein letzter öffentlicher Act war
die Verfügung, daß fortan im Kirchengebete nicht mehr für
den König Friedrich August und dessen Familie sondern nur
im allgemeinen für die Obrigkeit gebetet werden solle.
Allein während Preußen auf diese Weise der Erfüllung
seiner Wünsche um einen bedeutenden Schritt näher rückte, trat
in Wien ein Zwischenfall ein, der alle bisherigen Combinationen
verschob und für die weitere Gestaltung der Dinge von ent-
scheidendem Einflusse wurde. Gereizt durch den Widerstand,
auf den seine polnischen Pläne stießen, hatte Alexander am
24. October einen neuen Versuch gemacht Talleyrand durch
mündliche Überredung umzustimmen?). Er bestand darauf,
daß Sachsen an Preußen gegeben werde, er drohte, wenn der
König von Sachsen sich nicht füge, werde er, wie einst mit
Stanislaus August geschehen, nach Rußland gebracht werden
und dort sterben, er nannte ihn einen Verräther. „Sire“,
erwiderte Talleyrand mit Emphase, „diese Bezeichnung kann
nie auf einen König angewendet werden und es ist von Wich-
tigkelt, daß sie niemals auf ihn angewendet werden kann“; er
wies nach, daß der Kaiser sein dem Könige von Preußen ge-
gebenes Wort auch ohne Aufopferung Sachsens lösen könne,
doch Alexander blieb dabei: „Der König von Preußen wird
König von Preußen und Sachsen wie ich Kaiser von Rußland
und König von Polen.“ „Die Gefälligkeit", fügte er schmeichelnd
binzu, „die Frankreich für mich in diesen beiden Punkten hat,
1) Klüber I, 5 ff.
2) d Haussonville, p. 369.