296 Das fremde Gouvernement und der wiener Congreß.
vortheilhafter es für Preußen sei einen Theil Sachsens mit
der Zustimmung Europas als das ganze als eine usurpierte
Provinz zu besitzen, die sich bei der ersten Gelegenheit gegen
Preußen kehren werde. Allein Hardenberg lehnte eine Theilung
Sachsens, welche die Interessen dieses Landes selbst schädigen
würde, ab und bot als Entschädigung für den König von Sachsen
ein Gebiet in Westfalen mit 350000 katholischen Unterthanen
und der Hauptstadt Münster :.
Die sächsische Frage wurde dadurch auf ein ganz neues Feld
binübergespielt: Preußen, das bis jetzt Sachsen lediglich nach
dem Eroberungsrechte beansprucht hatte, war schon dahin ge-
bracht, es zum Gegenstande eines, wenn auch ungleichen Tausches
zu machen, eine Wendung, die, so wenig sie den Ansichten und
Wünschen des gefangenen Königs entsprach, immerhin von ihm
als ein Gewinn angesehen werden durfte. Er war über den
Stand der Dinge in Wien ziemlich genau unterrichtet; Pring
Anton, der sich um dem Sitz der Verhandlungen näher zu
sein von Prag nach Schönbrunn begeben hatte, erfuhr, was
ihn interessierte, durch seinen Schwager, den Kaiser, oder durch
Metternich und, was diese zu verschweigen für gut fanden, trug
Talleyrand dem Grafen Schulenburg zu und beide beförderten
dann ihre Nachrichten durch die französischen Curiere oder auf
anderen sicheren Wegen nach Berlin weiter. Freilich standen
dem Känige kaum irgend welche, jedenfalls nur ganz unzuläng-
liche Mittel zu Gebote um seinerseits auf die Entscheidung
der Großmächte einzuwirken. Sein Bevollmächtigter sah sich
von jeder Theilnahme an den Unterhandlungen ausgeschlossen,
ja er mußte, um nicht den Argwohn der Sachsen feindlich
gesinnten Mächte auf sich zu lenken, es ängstlich vermeiden die
Frage wegen seiner Zulassung vorzeitig zur Sprache zu bringen,
und auch Osterreich nahm sich aus gleichem Grunde seiner nur
unter der Hand, nie öffentlich an, die Stimmung der Vertreter
Rußlands und Preußens ließ nicht einmal die Gedanken an
eine directe Verhandlung mit ihnen aufkommen und sogar
1) v. Bernhardy I, 62ffk.