314 Das fremde Gouvernement und der wiener Congreß.
Ansprüche immer lauer, und da Stein ihm vergebens vorzu-
stellen suchte, daß mit Rücksicht auf die allgemeine Lage der
Dinge ein Gebiet von 6- bis 700000 Seelen alles sei, was
man einem Fürsten zubilligen könne, der keinen anderen Anspruch
habe als das Mitgefühl, so blieb dem Könige von Preußen,
wie bitter es ihm auch ankam, nichts übrig als sich in das
Unabwendbare zu fügen 1), und Hardenberg mußte auf Alexan-
ders Rath zunächst mit Castlereagh eine Verständigung über
den Theilungsplan suchen. Da er sich besonders darüber be-
schwerte, daß Metternichs Entwurf fast sämtliche 28 Städte
von mehr als 4000 Einwohnern von dem preußischen Antheil
ausschied, so willigte schließlich Castlereagh ein, von den Han-
nover und den Niederlanden zugedachten Vergrößerungen noch
Einiges an Preußen zu überlassen und in Sachsen die Grenze
so zu ziehen, daß Görlitz, Weißenfels und Naumburg auf den
preußischen Antheil fielen; nur in Bezug auf Leipzig, an dem
Preußen das meiste gelegen war, blieb er nicht blos Harden-
berg sondern selbst in einer stürmischen Audienz (5. Februar)
dem Könige gegenüber unerbittlich )). Da schlug sich endlich
Kaiser Alexander ins Mittel, indem er als einen wenn auch
dürftigen Ersatz für die reiche Handelsstadt Thorn bot, und
da Hardenberg wohl einsah, daß ein Mehreres nicht zu erlan-
gen sei, so gab er nach. In der Sitzung vom 8. Februar
erkannte Preußen den Grundsatz, daß dem Könige von Sachsen
ein Theil seines Landes verbleiben solle, formell an, nahm die
von Castlereagh und Alexander angebotene Compensation an
und verlangte nur eine Modification des österreichischen Thei-
lungsplans dahin, daß von den 2,038173 Seelen Sachsens
855305 an Preußen fielen. Ubrigens beanspruchte er die
Garantie der Conferenzmächte für den preußischen Antheil von
1) Pertz IV, 289. — „Ich habe es immer gesagt“, schalt er gegen
Hardenberg, „daß es ein voreiliger Schritt sei, — haben aber klüger sein
wollen — nun ist die Prostitution fertig, wenn man wieder abziehen
muß. Geschieht gar nichts Kluges mehr, soll aber so aussehen.“
v. Nostitz, Leben und Brieswechsel, S. 165.
2) v. Gagern II, 123.