432 Sachsen von 1815—1833.
gänge erzeugten ein reizbares Mißbehagen, das nur des
äußeren Anlasses wartete um sich laut und offen zu be-
thätigen #).
Kurz darauf brach die Julirevolution in Paris aus; auf
die vielfach erregten Gemüther konnte dieses Ereigniß nicht ohne
tiefen Eindruck bleiben; es machte mit dem Gedanken an
Selbsthilfe vertraut. Dennoch war es in Sachsen nicht
entfernt in demselben Maße wie anderwärts die Theoxie des
constitutionellen Liberalismus, worin die herrschende 4#ufrie-
denheit gipfelte; wie diese überhaupt keine theoretische war,
sondern unmittelbar sehr fühlbaren materiellen Übelständen
entsprang, so richtete sie sich auch zunächst gar nicht einmal
gegen die allgemeinen sondern nur gegen die localen und per-
sönlichen. Aber einmal ins Rollen gekommen riß sie das ganze
herrschende System mit sich fort und führte so zu einer an-
fangs weder beabsichtigten noch geahnten Umgestaltung des ge-
samten Staatswesens.
Ein Polterabendlärm in Leipzig am 2. September und eine
sich daraus entspinnende Schlägerei zwischen Polizeidienern und
Handwerkern bildete den unscheinbaren Ausgangspunkt der
„sächsischen Revolution“. Einmal aufgereizt zog der Haufe,
meist Lehrlinge, vor das Haus des Polizeipräsidenten v. Ende,
zertrümmerte Fenster und Straßenlaternen und versuchte die
Wohnung zu stürmen, die Polizei wagte schon nicht mehr
ernstlich einzuschreiten. Am nächsten Abend wiederholte sich
begünstigt durch die schadenfrohe Passivität der Bürgerschaft
der Unfug, ohne daß eine schnell herbeigezogene Abtheilung
von 50 Mann Kavalerie ihm zu steuern vermochte. In
seiner Noth berief der Magistrat am 4ten eine Anzahl Bürger
aufs Rathhaus, Maßregeln zur Wiederherstellung der Ord-
nung mit ihnen zu besprechen. Hier aber brach der langver-
haltene Groll in den heftigsten Vorwürfen gegen den Rath
über die Härte seines Regiments, die Veruntreuung des Ge-
meindevermögens hervor, nur theilweise wurde der Sturm
1) Sachsens Umbildung, S. 30 ff. — K. v. Steinbach, S. 42.