460 Sachsen von 1815—1833.
die Scheu, das einmal unternommene Werk so schnell wieder
preiszugeben und die Bedenken gegen eine Umgestaltung der
ganzen Steuerverfassung hielten sie davon zurück das Entgegen-
kommen Preußens zu erwidern sondern ganz wesentlich auch die
getheilte Stimmung der eigenen Bevölkerung. Zwei polare
Interessen standen sich in Sachsen entgegen; der Handelsstand
und dessen Mittelpunkt, der leipziger Meßverkehr, auf welche
die bisherige sächsische Zollgesetzgebung fast ausschließlich berechnet
war, widerstrebten dem preußischen Schutzzollsystem aufs hef-
tigste und wurde darin von der politischen Antipathie gegen
das reactionäre Preußen unterstützt; die Industrie, die während
der letzten Jahrzehnte mühsam mit einer Menge feindseliger
Einflüsse gerungen hatte und bei Fortdauer des gegenwärtigen
Zustandes ihren wachsenden Verfall vor Augen sah, schmachtete
nach dem Schutz gegen die englische Concurrenz, den die An-
nahme des preußischen Tarifs verhieß, und nach der Wieder-
eröffnung des deutschen Marktes, der bisher drei Viertheile der
sächsischen Gewerbe ernährt hatte. Die Regierung wußte nicht,
wie diesen Gegensatz versöhnen. Aber die Verkehrsverhältnisse
an der preußischen Grenze wurden immer unerträglicher, der
Mitteldeutsche Verein immer unzuverlässiger. Die Fahnenflucht
riß ein. Sachsen-Weimar machte den Vorbehalt seines Rück-
tritts, die Reußen schlossen 9. December 1829 einen Vertrag
mit Preußen wegen ihres eventuellen Beitritts zum näördlichen
oder südlichen Zollverein, Sachsen-Koburg und Meiningen des-
gleichen. Dieser Abfall der thüringischen Staaten, der Sachsen
auch noch das letzte offen gebliebene Durchgangsgebiet verschloß,
verbot länger zu zögern. Im August 1830 erklärte die Re-
gierung an Preußen und Baiern, daß sie bereit sei ihr bis-
heriges System fallen zu lassen und einer allgemeinen Zoll-
und Handelsvereinigung nach den Principien jener Staaten,
sobald dieselbe nur Gleichheit der Rechte zur Basis habe, bei-
zutreten. In einer Berathung der Commerziendeputation am
6. December, zu welcher auch acht Fabrikanten und sechs Kauf-
leute zugezogen waren, wurde der Anschluß an das preußische
Zollsystem für die meisten Zweige der sächsischen Industrie als