Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

Landtag von 1833—1834. 467 
Commissare während der Abstimmungen fast zu einem Conflict 
zwischen der zweiten Kammer und dem Ministerium geführt 
hätte. Ein Antrag des an das alte Verfahren gewäöhnten 
Dr. Deutrich, daß jeder Antrag schriftlich und zwar sorgfältig 
motiviert einzugeben sei, fand glücklicherweise nur in seinem 
ersten Theile Annahme. In Bezug auf die Offentlichkeit 
waltete noch ziemliche Angstlichkeit. Frauen schloß die erste 
Kammer wegen Mangels an Raum ohne Weiteres von ihren 
Tribänen aus 1) und nur mit zwei Stimmen Majorität 
räumte die zweite Kammer den Berichterstattern der Leipziger 
Zeitung und des Landtagsblattes einen Platz im Sitzungssaale 
ein; dagegen lehnten beide Kammern eine Theilnahme an der 
Redaction und Censur der über die Landtagsverhandlungen zu 
veröffentlichenden Berichte als rerfassungswidrig ab. Einen 
Stenographen besaß nur die zweite Kammer an dem aus 
München berufenen Schüler Gabelsbergers Wigard und erst 
für die folgenden Landtage giengen aus dessen 1835 eröffneten 
stenographischen Institute ausreichende Kräfte hervor. Es 
konnte nicht fehlen, daß in diesen ersten Lehrjahren das parla- 
mentarische Leben noch mit mancher Unbehilflichkeit zu kämpfen 
hatte. Redseligkeit, ein Erbübel des sächsischen Stammes, 
Schaustellung überflüssiger Fachgelehrsamkeit und mangelhafte 
Vorbereitung der Gegenstände durch die Deputationen, endlich 
und nicht zum wenigsten das Fehlen jeder festen Parteibildung 
verliehen den Verhandlungen eine außerordentliche Weitschweifig- 
keit; doch wurde gerade der letztere Mangel lange Zeit hindurch 
als ein ganz besonderer Vorzug des sächsischen Ständelebens 
gepriesen ?) und auch äußerlich durch Verlosung der Sitze zum 
1) Erst 1848 erhielten sie und zwar auf Antrag des leipziger Bür- 
germeisters Klinger dort Zutritt. 
2) „Verbannt“, sagte Prinz Johann darlber am Schlusse dieses 
Landtags, „war von uns diese Seele der unseligen Parteisucht, hier gab 
es keine rechte und linke Seite, nicht einmal ein rechtes und linkes Cen- 
trum, ein jeder folgte bei der Abgabe seiner Meinung nur der höheren 
Stimme In seinem Innern." Noch auf dem Landtage von 1843 wurde 
ein Redner der zweiten Kammer wegen des Ausdrucks: „die Regierung 
nehme Partel“, auf Verlangen des Justizministers zur Ordnung gerufen. 
30“
	        
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