Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

Landtag von 1842/4. 529 
der Sffentlichkeit und Mündlichkeit, die von nun an einen Haupt- 
streitpunkt zwischen der Regierung und der zweiten Kammer 
bilden sollte, zu eingehender Discussion gelangte. Obgleich letz- 
tere schon 1837, wenn auch nur mit zwei Stimmen Majorität, 
auf v. Dieskaufs Antrag die Regierung angegangen hatte die 
Einführung von Offentlichkeit und Mümlichkeit in Berathung 
zu ziehen, obgleich jetzt, von der Opposition angeregt, Petitionen 
aus allen Landestheilen das Nämliche verlangten, hielt der 
Regierungsentwurf an der alten Inquisitionsmaxime fest und 
suchte das Verfahren nur durch genauere Protokollierung, 
bessere Besetzung der Gerichtsbank und ein Schlußverhör unter 
Zuziehung des Vertheidigers zu verbessern. 
Es war eine weit über das Rechtsgebiet hinaus auf das 
der Politik übergreifende, in die Wissenschaft wie in die Praxis 
tief einschneidende Frage. Der Entwurf kam zuerst in der 
ersten Kammer zur Berathung; es entspann sich darüber eine 
lange und heiße Debatte, wie sie in diesem Saale noch nicht 
vernommen worden war, denn obenan stand für Viele die 
Frage, ob mit dem neuen Gesetz die Patrimonialgerichtsbarkeit 
verträglich sei, und während die Besonnenen sich bewußt waren 
dem Radicalismus in die Hände zu arbeiten, wenn man die 
Reformen nicht selbst vollbringe, empfanden Andere ein Grauen 
vor den hinter der Offentlichkeit und Mündlichkeit lauernden 
Schwurgerichten, der Schlange hinter den Blumen, und be- 
weinten zum Voraus ihr Vaterland, wenn je darin eine solche 
Justiz eingeführt werden sollte. Selbst hier blieb die Inqui- 
sitionsmaxime nur mit 3 Stimmen Majorität Siegerin, außer- 
dem nahm die Kammer einen Antrag ihrer bedeutendsten 
juristischen Autorität, des Domherrn Günther, auf Reorgani- 
sation der Criminalgerichte an, wonach diese auch in erster 
Instanz collegialisch gebildet, jedoch nur die größeren und wich- 
tigeren Verbrechen an sie gewiesen, die geringeren den bisherigen 
Gerichten belassen, die Criminalgerichtsbarkeit von den Patri- 
monialgerichtsherren an den Staat abgegeben werden sollte. 
Auch in der zweiten Kammer war die Erörterung der Princip- 
frage ungemein lebhaft. Der Referent Braun, der durch 
Flathe, Neuere Geschichtr Sachsens. 34
	        
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