556 Sachsen von 1833—1848.
politisch Indifferenten war zufrieden, ungestört ihren Beschäf-
tigungen nachgehen zu können, die gemäßigten unter den Libe-
ralen schöpften aus dem wenigen bisher Erreichten Hoffnung
auf weiteren, wenn auch langsamen Fortschritt. Aber doch
mischte sich in diese Apathie ein bängliches Vorgefühl, daß
der gegenwärtige Zustand nicht dauern könne, und ließ jedes
Anzeichen nahender Stürme an den deutschen Grenzen, wie die
Aufstände in Posen und Galizien, welche die Ausweisung der
Polen auch aus Sachsen zur Folge hatte 1), mit ängstlicher
Spannung rerfosgen. Unglücklicherweise wurde die Willfährig-
keit, mit der das Ministerium sich der reactionären Strömung
überließ, eine immer neue Quelle tiefer Verstimmung. Der
Preßzwang wurde wenn möglich ärger als zuvor; dem Professor
Biedermann, der die Veröffentlichung einer beim Constitutionsfest
von 1845 gehaltenen Rede eine Anklage zugezogen hatte, blieb
das Halten staatsrechtlicher Vorlesungen selbst dann untersagt,
als er in dritter Instanz „wegen Mangels mehreren Verdachts“
freigesprochen worden war. Noch größere Sensation erregte
es, als die wegen eines Aufsatzes über „Sächsische Zustände“
von der Kreisdirection verfügte Beschlagnahme der von dem-
selben herausgegebenen Zeitschrift „Unsere Gegenwart und Zu-
kunft“ wenige Tage darauf von dem Ministerium des Innern
wiederaufgehoben wurde und eine gleichzeitig veröffentlichte Er-
klärung sämtlicher Minister diese Entschließung damit motivierte,
„daß die in jenem Aufsatz enthaltenen Außerungen über die
Wirksamkeit und Gesinnung mehrerer Minister zu unwürdig
seien um von ihnen auf irgend eine Weise beachtet zu werden
und daß sie sich durch dergleichen Angriffe in treuer Erfüllung
ihrer Pflicht gegen König und Vaterland nicht irre machen
lassen würden “; die Folge war, daß die Schrift binnen wenigen
Wochen drei Auflagen erlebte. Dem Buchhändler Brockhaus
wurde der Druck ungarischer Schriften gänzlich verboten, bloß
1) Im Februar 1846 wurde in Dresden der flüchtige Dictator von
Krakau, Tyssowski, verhaftet; die Regierung behandelte ihn mit großer
Rücksicht, konnte sich aber seiner Auslieferung an Osterreich nicht entziehen.