566 Das Jahr 1848.
im Vertrauen auf den König ruhig harrend den Befugnissen
der selbstgewählten Vertreter nicht vorzugreifen. Die officisse
Leipziger Zeitung stellte die Einführung des öffentlichen und
mündlichen Verfahrens in nahe Aussicht und verhieß Unter-
stützung aller Maßregeln, welche die Einigkeit, das Wohl und
die Kräftigung Deutschlands fördern könnten. Aber es war der
Unstern des ganzen Systems, daß es aus Furcht seine Schwäche
zu verrathen kein Zugeständniß eher machte, als bis dasselbe,
von den Creignissen überholt, seines Eindrucks verfehlte.
Falkensteins Entlassung wurde nur als ein Beweis von der Un-
widerstehlichkeit der öffentlichen Meinung hingenommen. „Man
hat uns einen Menschen zum Opfer gebracht“, rief Blum den
Stadtverordneten zu, „aber das System ist nicht damit ge-
fallen. Dieses vertreten die Minister v. Könneritz und v. Wie-
tersheim; wir dürfen die Ungesetzlichkeit der Censur nicht länger
dulden!“ Am gten machte zwar das Ministerium bekannt, daß
es seine Entlassung angeboten, der König aber dieselbe zurück-
gewiesen und dafür die sofortide Einberufung des Landtags auf
den 20. März angeordnet habe, damit sogleich darüber Gewiß-
heit erlangt werde, ob das gesamte Land jene Meinung theile;
diesem Landtage werde dann auch sofort ein Preßgesetz vorgelegt
werden. Gleichzeitig erfolgte die provisorische Aufhebung der
Censur bis zum 20. April. Daß aber die Regierung, statt
sich den Bundesbeschluß vom 3ten, welcher jedem Bundesstaate
die Aufhebung der Cenfur freistellte, zu Nutze zu machen, erst
ein Preßgesetz mit den schon vor mehreren Jahren und unter
dem Drucke der Bevormundung gewählten Ständen vereinbaren
wollte, erregte neuen Unwillen. Einmüthig beharrte Leipzig auf
seinen Forderungen. Mochten auch viele unklare Empfindungen,
viel Ubertreibung und Überspannung mit unterlaufen, es war
doch ein freudiger Glaube an den unausbleiblichen Sieg, der
die Gemüther hob. Aber freilich wurde bei der zunehmenden
Erhitzung der Leidenschaften die Aufrechthaltung der gesetzlichen
Ordmung, obgleich Bürger und Studenten sich zu diesem Zwecke
der Communalgarde freiwillig anschlossen, von Tag zu Tag
schwieriger; entrüstet vernahm man die Kunde von Truppen-