572 Das Jahr 1848.
burgischen Receßherrschaften vor. Hier, wo die Herrschaft der
Besitzer sich trotz des vielen von ihnen gestifteten Guten und
der oft großartigen Wohlthätigkeit des Fürsten Otto Victor
von Schönburg-Waldenburg durch kleinliche Bevormundung und
Begünstigung der Orthodoxie verhaßt gemacht hatte, griff eine
tiefe Gihrung um sich. Da der Fürst die geforderte Aufhebung
des Lehngeldes nicht sofort und unbedingt bewilligte, sollte eine
große Volksversammlung zu Waldenburg der Forderung Nach-
druck geben. Der Ausbruch war planmäßig ins Werk gesetzt.
Ein tumultuarischer Haufe stürmte, 5. April, gegen das Schloß,
verwüstete es auf vandalische Weise und steckte es in Brand,
alles vor den Augen einer mit beispielloser Gleichgiltigkeit zu-
schauenden Menge; kaum daß der Fürst durch eilige Flucht das
Leben rettete. Die anwesenden Regierungscommissare wurden
von der Menge überwältigt; überzeugt, daß das Schloß nicht
mehr zu retten sei und darum vor der Verantwortlichkeit nutz-
losen Blutvergießens zurückschreckend, wagten sie nicht von der
aus der Nachbarschaft, freilich auch nur in ungenügender Stärke
entbotenen bewaffneten Macht Gebrauch zu machen, trotzdem der
commandierende Offizier sich das Schloß zu sichern erbot; etliche
Gefangene mußten sogar der drohenden Menge wieder aus-
geliefert werden. In Glauchau wurden ähnliche Greuel nur
durch das mannhafte Dazwischentreten des Bürgermeisters
Pfotenhauer verhindert.
Mit Schrecken wurde man gewahr, welche gefährlichen und
wilden Kräfte sich unter der vielgerühmten Gesittung des säch-
sischen Volkes bargen. Um daher die für Aufrechterhaltung der
gesetzlichen Ordnung interessierten Elemente für dieselbe in
Thätigkeit zu setzen ordnete die Regierung, 11. April, die
Bildung von Bürger--, richtiger Gemeindewehren im Anschluß
an die Communalgarde an, die zugleich dem Entstehen ord-
nungsloser Volkswehren vorbengen sollte. Die loyale Gesin-
nung der dresdner und leipziger Communalgarden wurde durch
Verleihung von Fahnen aus der Hand des Königs gestärkt.
Vor allem aber lenkten jene Vorfälle das Augenmerk auf die
Lage der arbeitenden Classen, die bei der im Gefolge der poli-