Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

576 Das Jahr 1848. 
und den arbeitenden Classen recrutierte, ziemlich in Schatten, 
an Geschicklichkeit der Organisation und Strenge der Partei- 
disciplin dagegen zeigte sich dieser um Vieles überlegen. Bald 
hatte er das ganze Land mit einem Netze von Zweig= und 
Bezirksvereinen überzogen, die von dem Centralausschuß in 
Leipzig gelenkt wurden. Bei seiner ersten Generalvrersammlung 
in Leipzig, 23. und 24. April, musterte er schon 40 Vereine 
mit 11579 Mitgliedern. Sein Hauptorgan in der Presse, die 
wiedererstandenen Vaterlandsblätter (erst Constitutionelle Staats- 
bürgerzeitung), fand viel größere Verbreitung als die von seinen 
Gegnern seit 1. August mit weit mehr Geist und Kenntniß ge- 
schriebenen Deutschen Blätter, während er auch die Provinzial= 
presse sich in höchst wirksamer Weise dienstbar zu machen wußte. 
Die Wochenversammlungen dieser Vereine waren nun das 
Forum, wo alle Fragen und Ereignisse des Tags mit mehr 
oder weniger Verständniß, immer aber mit lebhaftestem Antheil 
discutiert wurden. Hier öffneten sich die Schleusen der lang 
zurückgehaltenen Beredsamkeit. Im Vollgefühle ihrer Kraft 
bielten sich diese Vereine, und namentlich die Vaterlands- 
vereine, für berufen, Regierung und Behörden zu controlieren, 
zu corrigieren und bei jedem wichtigeren Vorkommniß ihr 
Votum in die Wagschale zu werfen. Aufrufe aller Art, Ver- 
trauens-, Mißbilligungs-, Ermunterungs= und Entrüstungs- 
adressen wurden in unerschapflicher Fülle und keineswegs bloß 
über sächsische Angelegenheiten, meistentheils mit unglaublicher 
lberschätzung der eignen Bedeutung an die Verschiedensten und 
über das Verschiedenste gerichtet. Fast durchweg waren es 
jedoch nur wenige tonangebende Leiter, denen vdie Masse blind- 
lings folgte. Nothwendigerweise wurde dadurch der Ausdruck 
der öffentlichen Meinung gefälscht und an die Stelle einer ge- 
sunden und normalen Kundgebung derselben der künstliche 
Terrorismus eines angeblichen Volkswillens gesetzt, dem selbst 
die Regierung nur zu leicht unterlag. 
Da eine Verständigung zwischen beiden Parteien über ge- 
meinsame Candidatenlisten für die bevorstehenden Wahlen nur 
theilweise gelungen war, so bot sich ihnen hier die erste große
	        
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