Bereine. Wahlen zum Laudtag und Parlament. 577
Gelegenheit ihre Kräfte gegen einander zu messen. Nicht nur
die Ergänzungswahlen für den auf den 18. Mai einberufenen
Landtag, bei denen das Ministerium den Behörden ausdrücklich
jede Beeinflussung untersagt hatte, auch die zum frankfurter
Parlamente ergaben einen so vollständigen Sieg der Vaterlands-
vereine, daß dadurch die Hoffnungen der Gemäßigten, mit Hilfe
dieser Volksvertretungen die Wogen der Revolution in das
Bett gesetzlich geordneter Zustände zurückzuleiten, sehr herab-
gedrückt wurden 1). Verwundert sah man von den 24 Ab-
gcordneten Sachsens im ersten deutschen Parlamente 20 auf der
Linken, einen Theil davon sogar auf der äußersten, nur je zwei
im Centrum und auf der Rechten ihren Platz nehmen 2). War
das sächsische Volk, dieses unter allen deutschen Stämmen
wegen seiner Höflichkeit und Zahmheit belobte, war dieses Land
des lammfrommen Coustitutionalismus wirklich über Nacht
so radical, so republikanisch geworden? Nicht einmal die
größere Rührigkeit und bessere Organisation der extremen
Partei löste dieses Räthsel ausreichend, sondern es rächte sich
jetzt das schlechte Wahlsystem von 1831, welches das Volk
nicht zu politischer Bildung zu erziehen vermocht, die Intelli-
genz vom politischen Schauplatz ausgeschlossen und mit seinem
Bezirkszwange die Wähler gewöhnt hatte ihre Vertreter nur
unter den kleinen Lichtern ihrer nächsten Umgebung, unter den
1) Von den 48 Candidaten des Vaterlandsvereins für die Parla-
mentswahlen wurden 14 Abgeordncte und 14 Ersatzmänner gewählt,
darunter zehn zugleich vom Deutschen Verein ausgesiellte; von denen des
letzteren 4 Abgeordnete und 1 Ersatzmann; von keinem von beiden auf-
gestellte 6 Abgeordnete und 8 Ersatzmänner. Auch bie in Sachsen lebenden
deutschen Ausländer wählten sich einen Vertreter, der aber, wie vorans-
zusehen, in Frankfurt zurickgewiesen wurde.
2) Zu dem Club des Deutschen Hofs gehörten von den Sachsen:
R. Blum, B. Eisenstuck, Wigand, Roßmäßler, Scharre, v. Waundors,
Langbein, Heisterbergk, die Gebrüder Heusel und Heubner; zu dem der
äußersten Linken im Donnersberg: v. Trültzschler, der die Vortheile einer
aristokratischen Geburt und tüchtiger juristischer Kenntnisse seinem demo-
kratischen Fanatismus opserte, Günther, Mammen, v. Dieskau, Dietsch,
Joseph, Schaffrath; zum Würtemberger, später zum Augsburger Hof:
Biedermann und Koch.
ölathe, Neuen Geschichte Sachseus. 37