Zwciter Wahlgesetzentwurf. 6#
Die Beibehaltung einer ersten Kammer und eines Census
für dieselbe versetzte die Radicalen in großen Zorn. Schnell
wurde, um einen Druck auf die widerstrebenden Elemente des
Ministeriums auszuüben, auf den 3. September eine General-
versammlung sämtlicher Vaterlandsrereine nach Dresden ein-
berufen. Das Wahl= und das Preßgesetz, das ganze Verhalten
des Ministeriums erfuhren hier die schärfsten Angriffe; nach
stürmischen Verhandlungen setzte es die äußerste Linke mit einer
Stimme Majorität durch, daß die Aufrechthaltung der con-
stitutionellen Monarchie für Sachsen aus dem Programm
des Vereins gestrichen wurde. Die ferneren Beschlüsse: Ein-
kammersystem ohne Census, Entlassung des Ministeriums und
Bildung eines Ministeriums Oberländer, Auflösung des Land-
tags und Berufung einer constituierenden Versammlung wurden
Tags darauf durch die Zustimmung einer großen Volksversamm-
lung bekräftigt.
So hatte die republikanische Partei die Maske abgeworfen.
Die nächste Folge war, daß die überstimmte Minderheit aus-
trat, ohne daß sie jedoch deshalb aufhörte mit den demokrati-
schen Vaterlandsvereinen in allen politischen Hauprfragen Hand
in Hand zu gehen. Auch blieb nach außen und für die ge-
meinschaftlichen Bestrebungen ein gemeinschaftlicher Central--
ausschuß bestehen. Die ganze Demonstration vom 3. Sep-
tember aber verfehlte ihren Zweck. Oberländer erklärte der
Deputation, welche ihm die Beschlüsse des souverainen Volkes
verkündete, daß er sich von seinen Collegen, wenn er auch mit
ihnen nicht ganz auf gleichem Standpunkt stehe, nicht trennen
werde; die Mehrheit der zweiten Kammer stand fest zum
Ministerium. Um zu verhindern, daß die Berichterstattung
über das Wahlgesetz in Teschirners Hände falle, überwies sie
dasselbe einer außerordentlichen Deputation, trotz des heftigsten
Protestes der Linken, trotzdem daß Teschirner unter dem to-
benden Beifalle der Galerieen der Moajorität drohte: „wenn
sie die Linke tyrannisieren wolle, so werde ein anderer Richter
über sie kommen, nämlich das Volkl!“ Die schreckliche Mord-
scene in Frankfurt, ziemlich ernsthafte Excesse, die, wie es schien,