59P0 Das Jahr 1848.
von fremden Agitatoren geschürt, 11. September in Chemnitz
vorfielen, spornten zur Eile; am 27'sten begann die Berathung
des Wahlgesetzes in der zweiten Kammer, die dasselb am
3. October gegen die zehn Stimmen der äußersten Linken im
Wesentlichen annahm. Nur die Zusammensetzung der ersten
Kammer erfuhr insofern eine Abänderung, als die Vertretung
der Capacitäten gestrichen und die erste Kammer, abgesehen von
den zum Eintritt berechtigten königlichen Prinzen, aus 50 gleich-
mäßig (je zwei in je drei von den 75 Wahlbezirken) durch die
Grurpbesitzer zu wählenden Abgeordneten gebildet wurde. Auch
das Militär erhielt Stimmberechtigung. Da das Ministerium
aus der Annahme des Gesetzes eine Cabinetsfrage gemacht hatte,
so wagte auch die erste Kammer in einem so verhängnißvollen
Zeitpunkte nicht die Verantwortlichkeit einer Verwerfung auf
sich zu laden. Sie beugte sich dem moralischen Zwange, unter
dem sie stand, und trat, da ihr Fortbestand in der jetzigen Zu-
sammensetzung unmsglich sei, mit Aufopferung ihrer indivi-
duellen Meinung den Beschlüssen der zweiten Kammer bei, unter
Protest der Standesherren gegen den unbefugten Eingriff in ihre
Rechte. ,
Bei weitem nicht so glatt schien sich das Verhältniß zu den
frankfurter Gewalten ordnen zu wollen. Am 28. August er-
schien ein königliches Decret über das deutsche Verfassungswerk,
welches unter Berufung auf § 2 der Verfassung, wonach kein
Kronrecht ohne Zustimmung der Kammern veräußert werden
dürfe, den Grundsatz der Vereinbarung schärfer als je zuvor
betonte. Noch wenige Tage vorher hatte Tzschirner voll Zorn
über die reservierte Haltung der Regierung den förmlichen An-
trag auf unbedingte Anerkennung der Beschlüsse der souverainen
Nationalversammlung gestellt. Ehe es aber zur Berathung
jenes Decretes kam, war in der Stimmung der Linken ein
vollständiger Umschlag eingetreten. Seitdem sie erkannte, daß
die Majorität der Nationalversammlung ihr nicht auf die Bahn
der Revolution folge, die Centralgewalt ihr nicht zum Umsturz
der Fürstenthrone verhelfe, kurz, daß nach dem Ausdrucke des
Abgeordneten Evans „das deutsche Volk in Frankfurt in ein