592 Das Jahr 1848.
Die Warnung verhallte ungehört. Verwarf auch die
Kammer den Antrag, so wurde in den radicalen Vereinen
nur desto lauter gegen die Centralgewalt und die eben noch
als souverain proclamierte Nationalversammlung gedonnert.
„Lieber in Sachsen frei als im einigen Deutschland unfrei“,
war jetzt das Feldgeschrei. Mehrere von den Mitgliedern der
sächsischen Linken waren der Berufung des auf den 26. October
nach Berlin ausgeschriebenen Demokratencongresses, der ein
Gegenparlament gegen das frankfurter werden sollte, nicht
fremd. In voller Nacktheit trat diese verblendete Verleugnung
des nationalen Gedankens bei der Debatte über das Deerct
vom 28. August hervor (19. October), als die äußerste Linke
sogar verlangte, die deutsche Verfassung müsse den sächsischen
Ständen zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt werden, was
selbst Pfordten für eine Unmöglichkeit erklärte. Aber auch die
Haltung der sächsischen Regierung erregte in Frankfurt pein-
liches Aufsehen. Von Biedermann interpelliert gab Reichs-
minister v. Mohl die Versicherung, er werde dieselbe auf den
Widerspruch aufmerksam machen, in welchem das Decret vom
28. August mit den Beschlüssen der Nationalversammlung stehe,
die Rechtskraft der Reichsgesetze trete für jedermann mit dem
Augenblicke ihrer officiellen Verkündigung ein und die locale
Verkündigung sei für jede Regierung obligatorisch, worauf
Biedermann den dringlichen Antrag stellte, die sächsische Regie-
rung zur Zurücknahme des Decrets vom 2 #en aufzufordern.
Die Antwort darauf ertheilte r. d. Pfordten in der Sitzung
der ersten Kammer am 9. November. Die Regierung, sagte
er, ziehe ihr Decret nicht zurück, es möge beschlossen werden,
was da wolle, das deutsche Verfassungswerk könne nur unter
Beistimmung der Regierung und der Stände gegründet werden;
desgleichen sei zur Vollziehung der Neichsgesetze die ständische
Zustimmung erforderlich, denn die Gesetzgebung sei ein Kron-
recht, und die Kammer pflichtete dieser Ansicht durch einmüthige
Exhebung bei. 6
Einem Parlamente, welches seine Souverainetät wohl decre-
tieren aber den mächtigeren Regierungen gegenüber nicht durch-