Verhältniß zur Reichsgewalt. Die thüringischen Staaten. 593
setzen konnte, sich nicht willenlos zu unterwerfen, war jedenfalls
eine starke Versuchung für einen Minister, dessen Ehrgeiz in
der Machtsphäre eines Staates von dem Range Sachsens keine
Befriedigung fand. Schwer war es gewiß, vielleicht selbst un-
möglich, damals im Drange sich überstürzender Ereignisse und
Leidenschaften die Grenzlinie zu finden zwischen dem Verlangen
nach nationaler Einheit auf der einen, der berechtigten Sonder-
stellung und den überkommenen Pflichten gegen die Dynastieen
auf der anderen Seite; im Grunde seines Herzens aber dachte
Pfordten particularistisch und wußte auch seinen Collegen das
nämliche Gepräge aufzudrücken. Vorläufig allerdings schien die
ganze Streitfrage eine rein theoretische, denn keine Regierung
hatte sich bisher gegen die Anordnungen der Centralgewalt
zuvorkommender gezeigt als gerade die sächsische, die z. B. noch
kürzlich sich bereit erklärt hatte die Vertretung im Auslande
derselben zu übertragen, vorausgesetzt nur, daß auch die übrigen
Regierungen ihre Gesandten abberufen würden; dennoch gewann
sie auch eine praktische und zwar höchst verderbliche Bedeutung,
indem sie die ohnehin vorhandene Verwirrung der Begriffe
vermehrte und namentlich die liberale Partei, die an der
Souverainetät der Nationalversammlung festhielt und zugleich
in allen inneren Fragen die eigentliche Stütze des März-
ministeriums bildete, in eine ganz schiefe Stellung versetzte.
Ohnehin nur mühsam gegen die übermächtigen Vaterlands-
vereine sich behauptend, sah sich der Deutsche Verein in dieser
Lebensfrage geradezu vor einen Conflict mit dem Ministerium
gestellt, von ihm zurückgestoßen und dadurch in seiner Wirksam-
keit gelähmt. Was konnte also das Resultat dleser Politik an-
ders sein, als daß sie hier der Demokratie, dort der Reaction
in die Hände arbeitete.
Pfordtens Ideen schlugen eine andere als die nationale
Richtung ein, seitdem sich ihm die verlockende Aussicht eräffnete,
durch die Vereinigung der thüringischen Staaten unter dem
Protectorate Sachsens für dieses eine einflußreiche Mittelstellung
zwischen den beiden deutschen Großmächten zu gewinnen. Der
Plan fand bei allen Parteien Anklang; die Linke hoffte auf
Flatbe. Neuere Geschichte Sachsene. 38