Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

Verhältniß zur Reichsgewalt. Die thüringischen Staaten. 593 
setzen konnte, sich nicht willenlos zu unterwerfen, war jedenfalls 
eine starke Versuchung für einen Minister, dessen Ehrgeiz in 
der Machtsphäre eines Staates von dem Range Sachsens keine 
Befriedigung fand. Schwer war es gewiß, vielleicht selbst un- 
möglich, damals im Drange sich überstürzender Ereignisse und 
Leidenschaften die Grenzlinie zu finden zwischen dem Verlangen 
nach nationaler Einheit auf der einen, der berechtigten Sonder- 
stellung und den überkommenen Pflichten gegen die Dynastieen 
auf der anderen Seite; im Grunde seines Herzens aber dachte 
Pfordten particularistisch und wußte auch seinen Collegen das 
nämliche Gepräge aufzudrücken. Vorläufig allerdings schien die 
ganze Streitfrage eine rein theoretische, denn keine Regierung 
hatte sich bisher gegen die Anordnungen der Centralgewalt 
zuvorkommender gezeigt als gerade die sächsische, die z. B. noch 
kürzlich sich bereit erklärt hatte die Vertretung im Auslande 
derselben zu übertragen, vorausgesetzt nur, daß auch die übrigen 
Regierungen ihre Gesandten abberufen würden; dennoch gewann 
sie auch eine praktische und zwar höchst verderbliche Bedeutung, 
indem sie die ohnehin vorhandene Verwirrung der Begriffe 
vermehrte und namentlich die liberale Partei, die an der 
Souverainetät der Nationalversammlung festhielt und zugleich 
in allen inneren Fragen die eigentliche Stütze des März- 
ministeriums bildete, in eine ganz schiefe Stellung versetzte. 
Ohnehin nur mühsam gegen die übermächtigen Vaterlands- 
vereine sich behauptend, sah sich der Deutsche Verein in dieser 
Lebensfrage geradezu vor einen Conflict mit dem Ministerium 
gestellt, von ihm zurückgestoßen und dadurch in seiner Wirksam- 
keit gelähmt. Was konnte also das Resultat dleser Politik an- 
ders sein, als daß sie hier der Demokratie, dort der Reaction 
in die Hände arbeitete. 
Pfordtens Ideen schlugen eine andere als die nationale 
Richtung ein, seitdem sich ihm die verlockende Aussicht eräffnete, 
durch die Vereinigung der thüringischen Staaten unter dem 
Protectorate Sachsens für dieses eine einflußreiche Mittelstellung 
zwischen den beiden deutschen Großmächten zu gewinnen. Der 
Plan fand bei allen Parteien Anklang; die Linke hoffte auf 
Flatbe. Neuere Geschichte Sachsene. 38
	        
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