Finanzieller Conftict zwischen Kammern und Ministerium. 613
zweite Kammer trat, 15. März, diesen Beschlüssen bei. Allein
das Ministerium weigerte sich jene Verordnung zurückzunehmen
und bestand, da die Verabschiedung des Budgets noch weit
aussehend sei, auf einer längeren Bewilligung (Decret vom
30. März). Die Linke begriff, daß sie mit einer directen
Steuerverweigerung beim Volke wenig Anklang finden werde,
mochte sich aber voch auch die Gelegenheit, dem Ministerium
ihre Macht fühlen zu lassen, nicht entgehen lassen. Am 21. April.
bewilligte zwar die zweite Kammer die Steuern bis Ende
September, erklärte aber zugleich das Verfahren der Regierung,
die Verordnung vom 18. December ungeachtet des Beschlusses
der Volksvertretung noch fortbestehen zu lassen, für eine Ver-
letzung der Verfassung und beauftragte einen besonderen Aus-
schuß mit Erörterung der Frage, ob nicht deßhalb eine Anklage
gegen das Ministerium zu erheben sei.
Allein die Kammermajorität war schon nicht mehr Herrin
der Kräfte, die sie einst selbst entfesseln geholfen hatte. Die
anarchischen Gelüste der Massen wie die wohl angelegten Pläne
ihrer Führer drängten auf eine gewaltsame Katastrophe hin,
die nicht bloß Sachsen sondern ganz Deutschland in den Strudel.
der Rerolution hineinzureißen drohte und unter dem Deck-
mantel der Reichsverfassung den Sturz der Dynastien und die
Proclamirung der allgemeinen Republik sich zum Ziel setzte.
Der Plan zu der gleichzeitigen deutschen und czechischen Schild-
erhebung war von langer Hand her vorbereitet. Noch standen
Zeit und Ort des Ausbruchs nicht fest. Aber schon in der
Osterwoche hatte die Generalversammlung der demokratischen
Bürgerwehrvereine in Voraussicht desselben beschlossen, unter
Leitung des Abgeordneten, ehemaligen griechischen Oberstlieu-
tenants Heinze eine Gesammtorganisation der sächsischen Bürger-
wehren ins Leben zu rufen. Die am 22sten zu Dresden
tagende Generalversammlung der Vaterlandsvereine war von
der äußersten Linken ausersehen, um die Tags zuvor von der
zweiten Kammer ausgesprochene Weiterbewilligung der Steuern
durch einen Druck auf die erste Kammer wieder rückgängig zu
machen. Umsonst widersprachen und warnten die Besonneneren;