638. Sachsen von 1848—1854.
die damals, als es galt mannhaft für ihre Überzeugung ein-
zustehen, sich furchtsam verkrochen hatten, fanden jetzt nicht
Worte genug um die zu verdammen, die im Drange der
Gefahr die Linie der Gesetzlichkeit nicht ganz streng einzuhalten
vermocht hatten, brüsteten sich mit ihrer lohalen Gesinnung
und trugen durch Denunciationen ihren Pflichteifer zur Schau.
Die Vaterlandsvereine wurden unterdrückt, die deutschen Ver-
eine lösten sich selbst auf, eine strenge Paßcontrole ward ein-
geführt, das Tragen republikanischer Abzeichen verboten, dem
sämtlichen Personal des Hoftheaters wurde gekündigt, Capell-
meister R. Wagner und Professor Semper, beide flüchtig, aus
der Liste der königlichen Beamten gestrichen. Das Verhalten
der Communalgarden unterlag allerwärts einer besonderen
Untersuchung, viele derselben wurden aufgelöst, die leipziger
dagegen erhielt für ihr Verhalten besondere Anerkennung.
Auch die städtischen Behörden hatten sich zu. rechtfertigen, z. B.
die leipziger wegen ihres Beschlusses die Stadt unter den
Schutz der Centralgewalt zu stellen. In vielen Städten wurden
die Stadtverordneten aufgelöst, städtische Beamte in großer
Zahl, um dadurch zugleich die Häupter der Demokratie von
der Wählbarkeit für den nächsten Landtag auszuschließen, suspen-
diert, und den Kreisdirectionen ward eingeschärft, bei Bestäti-
gung der Wahlen zu slädtischen Amtern streng und vorsichtig
zu verfahren. Sobald der Aufruhr niedergeschlagen war, hatte
auch die Gerechtigkeit ihr mühsames und schmerzliches Werk
begonnen. Die überaus umfängliche und sich weit verzweigende
Untersuchung überfüllte die Gefängnisse; allein beim dresdner
Stadtgericht kamen 900 Personen in Untersuchung; von den
Mitgliedern des letzten Landtags waren nicht weniger als 38
der Betheiligung am Aufstande beschuldigt, 19 derselben wurden
steckbrieflich verfolgt. Nicht zu verdenken war es der Regierung,
daß sie die Angeklagten nicht vor die Geschwornen zu bringen
beschloß, denn der Versuch mit den Schwurgerichten in Preß-
und politischen Sachen nach dem Gesetz vom 18. November 1848
fiel überaus kläglich aus, indem die aus Urwahlen hervor-
gegangenen Geschwornen ihre Gesinnungslüchtigkeit damit be-