Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

Senfft v. Pilsach. Minisler. Der König in Paris. 57 
darauf an, den Glauben an diese Möglichkeit zu nähren, wenn 
schon seine Aksicht nie ernstlich auf eine andere als eine russische 
oder ssterreichische Prinzessin gerichtet war. Vielleicht war 
dies sogar der eigentliche Grund zur Einladung des Königs 
nach Paris, und wahrscheinlich, daß Napoleon eben deshalb 
unter einem schicklichen Vorwande Senffts Aufenthalt in 
Paris zu verlängern suchte, indem er eines Tags ganz unver- 
muthet gegen den Käönig die Absicht äußerte, ihm das von 
Sachsen so heiß begehrte Erfurt zu geben, worüber Senfft 
mit Champagny verhandeln möge. Allerdings hatte sich Na- 
poleon seit 1808 wiederholt mit dem Gedanken getragen, 
Erfurt an Sachsen zu überlassen, im gegemwärtigen Augenblicke 
jedoch neigte er sich viel mehr zu der Meinung, diesen wichtigen 
Platz im Herzen Deutschlands in eigener Hand zu behalten. 
Ohne Ahnung von dem eigentlichen Zusammenhange eilte Senfft 
sogleich zu dem Minister des Auswärtigen, bekam aber hier 
auf seine täglich wiederholten Anfragen siets nur die Antwort, 
der Minister sei über diesen Punkt ohne alle Instruction. 
Selbst als der König, der sich nach seiner gewohnten Lebens- 
weise zurücksehnte, am 13. December wieder abreiste, blieb 
Senfft um Erfurts willen noch eine Zeit lang in Paris, 
wurde aber schließlich von Champaguy mit der spöttischen Be- 
merkung verabschiedet, das sei eine Sache, für die der günstige 
Moment, einmal entschlüpft, nicht wiederkehre 1). 
Die Stimmung, welche Senfft bei seiner Rückkehr in 
Sachsen vorfand, unterschied sich sehr merklich von der, in 
welcher er es drei Jahre vorher verlassen hatte. Die erste 
Betäubung war allmählich einer ernsten und gefaßten Selbst- 
schau gewichen. Unverkennbar hatte der Krieg von 1809 mit 
seiner ganz Deutschlans durchzitternden Erregung auch in 
Sachsen einen tiefen und der französischen Herrschaft ungünstigen 
Eindruck hinterlassen. Nur der König und eine kleine Schar- 
in seiner nächsten Umgebung sahen noch in der strengsten 
1) Senfft, Mémoires, p. 76sq0. — Corresp. de Nap. XVII. 537; 
XI, 85.
	        
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