Senfft v. Pilsach. Minisler. Der König in Paris. 57
darauf an, den Glauben an diese Möglichkeit zu nähren, wenn
schon seine Aksicht nie ernstlich auf eine andere als eine russische
oder ssterreichische Prinzessin gerichtet war. Vielleicht war
dies sogar der eigentliche Grund zur Einladung des Königs
nach Paris, und wahrscheinlich, daß Napoleon eben deshalb
unter einem schicklichen Vorwande Senffts Aufenthalt in
Paris zu verlängern suchte, indem er eines Tags ganz unver-
muthet gegen den Käönig die Absicht äußerte, ihm das von
Sachsen so heiß begehrte Erfurt zu geben, worüber Senfft
mit Champagny verhandeln möge. Allerdings hatte sich Na-
poleon seit 1808 wiederholt mit dem Gedanken getragen,
Erfurt an Sachsen zu überlassen, im gegemwärtigen Augenblicke
jedoch neigte er sich viel mehr zu der Meinung, diesen wichtigen
Platz im Herzen Deutschlands in eigener Hand zu behalten.
Ohne Ahnung von dem eigentlichen Zusammenhange eilte Senfft
sogleich zu dem Minister des Auswärtigen, bekam aber hier
auf seine täglich wiederholten Anfragen siets nur die Antwort,
der Minister sei über diesen Punkt ohne alle Instruction.
Selbst als der König, der sich nach seiner gewohnten Lebens-
weise zurücksehnte, am 13. December wieder abreiste, blieb
Senfft um Erfurts willen noch eine Zeit lang in Paris,
wurde aber schließlich von Champaguy mit der spöttischen Be-
merkung verabschiedet, das sei eine Sache, für die der günstige
Moment, einmal entschlüpft, nicht wiederkehre 1).
Die Stimmung, welche Senfft bei seiner Rückkehr in
Sachsen vorfand, unterschied sich sehr merklich von der, in
welcher er es drei Jahre vorher verlassen hatte. Die erste
Betäubung war allmählich einer ernsten und gefaßten Selbst-
schau gewichen. Unverkennbar hatte der Krieg von 1809 mit
seiner ganz Deutschlans durchzitternden Erregung auch in
Sachsen einen tiefen und der französischen Herrschaft ungünstigen
Eindruck hinterlassen. Nur der König und eine kleine Schar-
in seiner nächsten Umgebung sahen noch in der strengsten
1) Senfft, Mémoires, p. 76sq0. — Corresp. de Nap. XVII. 537;
XI, 85.