Finanzieller Conflict. Die Grundrechte. 667
derselben an, daß er für die Folge behindert sei ihren Sitzungen
beizuwohnen. Endlich gab der Ministerpräsident am 30. April
eine so unumwundene Erklärung, daß sie nur als eine Pro-
vocation zum völligen Bruch mit den Kammern angesehen
werden konnte. Es handelte sich um einen Antrag auf Ab-
schaffung der Todesstrafe, den Joseph gestellt hatte, nachdem
von der Regierung erklärt worden war, daß sie ein Gesetz
darüber nicht vorlegen werde, da diese Frage um so eher bis
zur Umarbeitung des Criminalgesetzbuchs auf sich beruhen
könne, als das Ministerium am 5. Januar beschlossen habe von
den bis dahin verhängten Todesstrafen keine vollstrecken zu
lassen, und der sich einfach darauf berief, daß die Grundrechte
als promulgiertes Landesgesetz für Sachsen rechtsbeständig seien.
„Die Grundrechte“, entgegnete rem Zschinsky, „sind als Landes-
gesetz in Sachsen den übrigen Gesetzen gleich; sie stehen nicht
über der Verfassung, ja sie bilden nicht einmal einen Theil der
letzteren sondern sind nur wie die übrigen Landesgesetze zu be-
trachten. Die Regierung wird, wie ich hiermit erkläre, die
Bestimmungen der Grundrechte, welche sie für heilsam und dem
Vaterlande zuträglich erachtet, gern und freiwillig mit ausführen
helfen, sie wird dies aber nicht thun können, soweit sie die eine
oder die andere Bestimmung in den Grundrechten für schädlich,
für verderblich erachtet. Soweit Bestimmungen der letzteren
Art bereits ins Leben getreten sein sollten, wird sie die nöthigen
verfassungsmäßigen Schritte thun um dieselben wieder zu be-
seitigen. Dies wird auch mit denjenigen geschehen, welche nicht
auf Sachsen allein sondern lediglich auf ganz Deutschland be-
rechnet sind; was in ganz Deutschland als Grundrecht gelten
soll, kann erst durch ein künftiges Reichsgesetz fesigesetzt werden.“
Diese unerwartete Erklärung machte anfangs einen fast erstar-
renden Eindruck auf die Kammer, dann rief sie eine Fluth von
Protesten und Anklagen der stärksten Art hervor. Doch be-
schloß die Kammer vor weiteren Anträgen erst den Druck der
Landtagsmittheilungen abzuwarten, und am 8. Mai beauftragte
sie einstimmig ihren Verfassungsausschuß zu untersuchen, was
überhaupt in der Sache zu thun sei.