Das Continentalsystem. 61
Ahnlich war das Verfahren in den übrigen Handels= und
Fabrikstädten, sowie im Herzogthum Warschau ½). Allein bei
einer Maßregel, welche die ganze Bevölkerung zum Feinde
hatte, konnte es an Umgehungen und Hinterziehungen nicht
fehlen. Der Schmuggel wurde in Preußen, namentlich über
Kolberg, schwunghafter als je betrieben und nahm von da
seinen Weg auch nach Leipzig, was neue Beschwerden von
französischer Seite zur Folge hatte ). Im Mai 1811 kam
deshalb der Geheime Finanzrath v. Wagner abermals nach
Leipzig, um gegen den fortgesetzten Handel mit englischen
Manufacturwaaren und die Hinterziehung des Imposté einzu-
schreiten. Mehrere Kaufleute, die dieses Vergehens verdächtig
oder überführt waren, wurden verhaftet, einige sogar auf den
Königstein abgeführt, englische Manufacturen, die, wie sich er-
gab, mit falschen Ursprungscertificaten und falschen Stempeln
auswärtiger Zollbehörden versehen waren, confisciert. Da sich
ferner herausstellte, daß unter dem Schutz auswärtiger, na-
mentlich preußischer Certificate Colonialwaaren eingegangen
waren, ohne den Impost erlegt zu haben, so wurde bestimmt,
daß von nun an dieselben mit Certificaten französischer Zoll-
behörden versehen sein oder den Impost in Sachsen selbst
entrichtet haben müßten, unter Androhung, daß, da Geldstrafen
nichts fruchteten, die Zuwiderhandelnden an ihrer Person ge-
straft werden würden. Daran schloß sich ein neues Autodafé
vorgefundener englischer Waaren im Werthe von 50000
Thaler.
Die unmittelbare Wirkung des Continentalsystems war
neben der Vertheuerung der theilweise zum allgemeinsten Be-
dürfniß gewordnen Colonialwaaren auf die sächsische Industrie
keine ungünstige. Der brittischen Concurrenz erledigt, begann
sie zu erstarken, insbesondere hob sich die Zeug= und Kattun-
druckerei, die in Warschau einen trefflichen Markt fand. Da-
1) lv. Zezschwitzs, Mittheilungen aus den Papieren eines sächfischen
Staatsmannes, S. 119.
2) Corresp. de Nap. XXII, 125.