Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

Aufhebung der Patrimonialgerichte. 711 
ritterschaftlichen Standes lauten Ausdruck; sie warnte vor 
Beseitigung historischer Auctoritäten in jetziger revolutionärer 
Zeit; „der Entwurf“, betheuerte v. Friesen, „sei wider Recht 
und Verfassung, die Patrimonialgerichtsbarkeit sei kein über- 
tragenes Recht sondern dagewesen, ehe der Landesherr existiert 
habe; bald werde der Gerichtsbarkeit das Patronat nachfolgen 
und dantit die Standschaft sich von selbst auflösen.“ Gegen 
diese Auffassung vermochte weder die schlagende Widerlegung 
des Ministers Zschinsky noch der Hinweis, daß das neue Straf- 
verfahren, das außer in Mecklenburg und Sachsen bereits 
Überall in Deutschland bestehe, ohne Aufhebung der Patrimonial= 
gerichte nicht durchführbar sei, etwas; es geschah das Unglaub- 
liche: die erste Kammer beschloß mit 23 gegen 17 Stimmen 
die Beibehaltung der Patrimonialgerichtsbarkeit; ein Antrag 
v. Friesens, daß dieselbe auch denen, die sie bereits abgetreten 
hätten, zurückgegeben und nur die Criminalgerichtsbarkeit an 
den Staat abgetreten werden sollte, erhielt 14 Stimmen! 
Folgerichtig bot nun die Partei auch in der weiteren Debatte 
Alles auf um die Errichtung von Bezirksgerichten gleichfalls 
zum Fall zu bringen, hier blieb jedoch die Regierung, wenn 
auch nur mit 4 Stimmen, Siegerin. Obgleich nun aber die 
erste Kammer auch im Vereinigungsverfahren bei ihrem Votum 
stehen blieb, wurde dennoch die Aufhebung der Patrimonial= 
gerichte als von der Regierung verlangt und von der anderen 
Kammer genehmigt nach § 92 der Verfassungsurkunde für an- 
genommen erachtet. Sonach trat hier der sonderbare Fall ein, 
daß das streng conservative Ministerium sich auf die zweite 
Kammer stützen mußte um den Widerstand der ersten zu über- 
winden. 
Die neue Gerichtsorganisation, für welche sich der König 
persönlich lebhaft interessierte, trat nach Vollendung der noth- 
wendigen Vorbereitungen ohne Verzug ins Leben (Gesetz vom 
11. August 1855); umsonst versuchten etliche Gerichtsherren 
die Abgabe der Gerichtssiegel an den Staat zu verweigern. 
Dr. Schwarze wurde zum Ober- (später General-) Staats- 
anwalt ernannt; das erst 1846 aus den Assessoren der Juristen-
	        
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