Aufhebung der Patrimonialgerichte. 711
ritterschaftlichen Standes lauten Ausdruck; sie warnte vor
Beseitigung historischer Auctoritäten in jetziger revolutionärer
Zeit; „der Entwurf“, betheuerte v. Friesen, „sei wider Recht
und Verfassung, die Patrimonialgerichtsbarkeit sei kein über-
tragenes Recht sondern dagewesen, ehe der Landesherr existiert
habe; bald werde der Gerichtsbarkeit das Patronat nachfolgen
und dantit die Standschaft sich von selbst auflösen.“ Gegen
diese Auffassung vermochte weder die schlagende Widerlegung
des Ministers Zschinsky noch der Hinweis, daß das neue Straf-
verfahren, das außer in Mecklenburg und Sachsen bereits
Überall in Deutschland bestehe, ohne Aufhebung der Patrimonial=
gerichte nicht durchführbar sei, etwas; es geschah das Unglaub-
liche: die erste Kammer beschloß mit 23 gegen 17 Stimmen
die Beibehaltung der Patrimonialgerichtsbarkeit; ein Antrag
v. Friesens, daß dieselbe auch denen, die sie bereits abgetreten
hätten, zurückgegeben und nur die Criminalgerichtsbarkeit an
den Staat abgetreten werden sollte, erhielt 14 Stimmen!
Folgerichtig bot nun die Partei auch in der weiteren Debatte
Alles auf um die Errichtung von Bezirksgerichten gleichfalls
zum Fall zu bringen, hier blieb jedoch die Regierung, wenn
auch nur mit 4 Stimmen, Siegerin. Obgleich nun aber die
erste Kammer auch im Vereinigungsverfahren bei ihrem Votum
stehen blieb, wurde dennoch die Aufhebung der Patrimonial=
gerichte als von der Regierung verlangt und von der anderen
Kammer genehmigt nach § 92 der Verfassungsurkunde für an-
genommen erachtet. Sonach trat hier der sonderbare Fall ein,
daß das streng conservative Ministerium sich auf die zweite
Kammer stützen mußte um den Widerstand der ersten zu über-
winden.
Die neue Gerichtsorganisation, für welche sich der König
persönlich lebhaft interessierte, trat nach Vollendung der noth-
wendigen Vorbereitungen ohne Verzug ins Leben (Gesetz vom
11. August 1855); umsonst versuchten etliche Gerichtsherren
die Abgabe der Gerichtssiegel an den Staat zu verweigern.
Dr. Schwarze wurde zum Ober- (später General-) Staats-
anwalt ernannt; das erst 1846 aus den Assessoren der Juristen-